Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
selbst kamen die Tränen, als er sprach. »Seine Ritter sollen hier bleiben«, sagte er, »und seine Leiche in Ehren vom Feld tragen, damit nicht die Schlacht drüber hingeht. Und ebenso alle andern aus seinem Gefolge, die hier liegen.« Und er betrachtete die Gefallenen und rief ihre Namen. Plötzlich sah er Éowyn am Boden liegen, seine Schwester, und erkannte sie. Da erstarrte er mitten in einem Ruf, als hätte ihn ein Pfeil ins Herz getroffen; sein Gesicht wurde totenbleich, und eine kalte Wut stieg in ihm auf und raubte ihm für eine Weile die Sprache. Raserei überkam ihn.
»Éowyn, Éowyn!«, rief er schließlich. »Éowyn, wie kommst du hierher? Welch ein Wahnsinn wirkt hier oder welches Teufelswerk? Tod, Tod, Tod! Tod hol uns alle!«
Dann, ohne sich zu besinnen oder die Ankunft der Männer aus der Stadt abzuwarten, preschte er zurück vor die Front seines großen Heeres, stieß in ein Horn und rief laut den Befehl zum Angriff. Weit übers Feld schallte seine klare Stimm: »Tod! Reitet, reitet in den Tod und bis an der Welt Ende!«
Und dann setzte das Heer sich in Bewegung. Aber die Rohirrim sangen nicht mehr. Tod! riefen sie wie aus einem Munde, laut und grimmig; und immer schneller werdend, brausten sie in Schlachtordnung an ihrem gefallenen König vorüber nach Süden.
Und noch immer stand Meriadoc der Hobbit am gleichen Fleck und blinzelte unter Tränen; und niemand sprach mit ihm oder schien ihn irgend zu beachten. Er wischte die Tränen ab, bückte sich nach dem grünen Schild, den Éowyn ihm gegeben hatte, und hängte ihn sich auf den Rücken. Dann suchte er nach seinem Schwert, das ihm entfallen war; denn als er damit zustieß, war sein Arm taub geworden, und auch jetzt noch konnte er nur den linken gebrauchen. Und, wahrhaftig, da lag seine Waffe, aber die Klinge rauchte wie ein trockener Zweig, in dem ein Funke schwelt; und als er weiter zusah, krümmte sie sich, verfiel und verzehrte sich.
Und so verschwand es aus der Welt, das Schwert von den Hügelgräberhöhen, das mit der Kunst von Westernis geschaffen war. Doch froh über sein Schicksal, hätte er es gekannt, wäre der gewesen, der es in geduldiger Arbeit vor langer Zeit im Nördlichen Königreich geschmiedet hatte, als die Dúnedain ein junges Volk waren; und unter ihren Feinden der ärgste war das Schreckensreich von Angmar mit seinem Hexenkönig. Keine andere Klinge, selbst von stärkerem Arm geschwungen, hätte diesem Feind eine so schmerzhafte Wunde beibringen, in sein untotes Fleisch schneiden und den Zauber brechen können, der die unsichtbaren Sehnen und Muskeln mit seinem Willen verknüpfte.
Die Männer legten nun den König auf eine notdürftige Bahre aus Mänteln und Speerschäften, um ihn in die Stadt zu tragen, während andere Éowyn behutsam aufhoben und ihm nachtrugen. Doch die Toten aus dem Gefolge des Königs konnten sie noch nicht vom Feldschaffen; denn von den Rittern des Königs waren sieben dort gefallen, unter ihnen Déorwine, ihr Anführer. Darum legten sie die Leichen abseits von denen der Feinde und des Untiers und pflanzten Speere um sie auf. Und später, als alles vorüber war, kamen die Männer dorthin zurück, entzündeten ein Feuer und verbrannten den Kadaver des Untiers; für Schneemähne aber gruben sie ein Grab und stellten einen Stein auf, mit Inschriften in den Sprachen Gondors und der Mark:
Schneemähne, Diener in größter Bedrängnis,
Schnellen Hufs, seines Herrn Verhängnis.
Grün und hoch wuchs das Gras auf Schneemähnes Hügel; aber ewig schwarz und kahl blieb der Boden, wo das Untier verbrannt war.
Langsam und traurig ging Merry nun neben den Trägern her und kümmerte sich nicht mehr um die Schlacht. Er war müde und hatte große Schmerzen, und die Glieder zitterten ihm wie vor Schüttelfrost. Starker Regen wehte vom Meer heran, und alles schien Théoden und Éowyn zu beweinen; und die grauen Tränen löschten die Brände in der Stadt. Durch einen Nebel sah er nun die Vorhut der Männer von Gondor näher kommen. Fürst Imrahil von Dol Amroth ritt herbei und zügelte sein Pferd vor ihnen.
»Welche Last tragt ihr da, Männer von Rohan?«, rief er.
»König Théoden«, antworteten sie. »Tot ist er. Aber König Éomer reitet nun in die Schlacht: er, dessen weißer Helmbusch im Wind weht.«
Da stieg der Fürst vom Pferd und kniete bei der Bahre nieder, zu Ehren des Königs und seiner großen Attacke; und er weinte. Als er wieder aufstand, erblickte er Éowyn und war fassungslos. »Dies ist
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