Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
einige Sorgenfalten mehr bekommen.
Er führte sie über den Gang zu dem kleinen Nebenzimmer, wo sie vor mehr als einem Jahr jene sonderbare Nacht verbracht hatten; und sie folgten ihm ein wenig beunruhigt, denn es war nicht zu übersehen, dass der alte Gerstenmann gute Miene zu irgendeinem bösen Spiel machte. Es war alles nicht mehr, wie es mal gewesen war. Aber sie sagten nichts und warteten ab.
Wie vorauszusehen, kam Herr Butterblüm nach dem Essen zu ihnen ins Nebenzimmer, um sich zu erkundigen, ob alles zu ihrer Zufriedenheit gewesen sei. Und das war es gewesen: Jedenfalls war am Bier und an den Speisen im Pony kein Zeichen eines Niedergangs zu bemerken. »Ich will mich nicht erdreisten, euch heute Abend noch in die Schankstube zu bitten«, sagteButterblüm. »Ihr werdet müde sein, und viele Gäste sind sowieso heute nicht da. Aber wenn ihr vor dem Schlafengehn eine halbe Stunde für mich Zeit hättet, würde ich sehr gern einiges mit euch bereden, in aller Stille und ganz unter uns.«
»Genau das wollen auch wir«, sagte Gandalf. »Wir sind nicht müde. Wir haben uns nicht überanstrengt. Nass waren wir, durchgefroren und hungrig, aber alldem hast du abgeholfen. Komm, setz dich zu uns! Und wenn du etwas Pfeifenkraut hast, bist du uns noch mehr willkommen.«
»Na, wenn du etwas anderes wünschtest, wäre mir wohler«, sagte Butterblüm. »Das ist gerade eins von den Dingen, die bei uns knapp sind, weil wir nämlich nur noch das haben, was wir selbst anbauen, und das ist zu wenig. Aus dem Auenland war in letzter Zeit keines zu bekommen. Aber mal sehn, was sich machen lässt.«
Als er wiederkam, brachte er ihnen genug für ein paar Tage, ein Bündel ungeschnittene Blätter. »Südhang«, sagte er, »das Beste, was wir haben, aber nicht zu vergleichen mit dem Kraut aus dem Südviertel, wie ich schon immer gesagt habe, obwohl mir sonst in den meisten Dingen nichts über Bree geht, wenn ihr’s nicht krumm nehmet.«
Sie ließen ihn in einem großen Sessel am Holzfeuer Platz nehmen; Gandalf setzte sich an die andere Seite des Kamins, und die Hobbits auf niedrigen Stühlen dazwischen; und dann redeten sie viele halbe Stunden lang und erzählten sich alle Neuigkeiten, die Herr Butterblüm hören oder loswerden wollte. Das meiste von dem, was sie zu berichten hatten, waren für den Wirt reine Wunder- und Fabeldinge; es ging weit über seinen Horizont und entlockte ihm kaum einen anderen Kommentar als ein »Was Sie nicht sagen!«, das er jedem Zeugnis der eigenen Ohren zum Trotz immerzu wiederholte. »Was Sie nicht sagen, Herr Beutlin – oder war es Herr Unterberg? Ich bring ja schon alles durcheinander. Was du nicht sagst, Meister Gandalf! Na so was! Wer hätte das gedacht, heutzutage?«
Aber seinerseits hatte er viel zu erzählen. Die Dinge stünden nicht zum Besten, sagte er. Das Geschäft gehe nicht nur nicht gut, sondern geradezu miserabel. »Niemand kommt heute mehr von auswärts in die Nähe von Bree«, sagte er. »Und die Einheimischen, die bleiben meistens in den eigenen vier Wänden und verriegeln die Türen. Angefangen hat alles mit diesen Fremden und Landstreichern, von denen die ersten letztes Jahr den Grünweg heraufkamen, wie ihr euch vielleicht erinnert; und später kamen dann noch mehr. Manche waren einfach arme Hunde, die vor Schwierigkeiten davonliefen; aber die meisten waren üble Burschen, die nichts als Diebereien und Schlimmeres im Sinn hatten. Und Ärger haben wir gehabt, hier in Bree, ein übles Theater! Ja, sogar ein echtes Handgemenge hat es gegeben, und nachher waren mehrere Leute tot, mausetot! Könnt ihr euch so was vorstellen?«
»Ja, kann ich«, sagte Gandalf. »Wie viele?«
»Drei und zwei«, sagte Butterblüm, womit er so viele vom großen und so viele vom kleinen Volk meinte. »Das waren der arme Matz Heidezeh, Roland Ackerkratz und der kleine Tom Piekedorn von drüben hinterm Berg; außerdem Willi Steilhang von weiter oben und einer von den Unterbergs aus Stadel, alles gute Leute, die wir sehr vermissen. Und Heinrich Geißblatt, der früher am Westtor stand, und dieser Lutz Farnrich, die haben es mit den Fremden gehalten und haben sich mit ihnen davongemacht; und ich bin überzeugt, die haben sie auch reingelassen. An dem Abend, meine ich, als es zu der Schlägerei kam. Und das war, nachdem wir denen schon mal gezeigt hatten, wo die Tore sind, und sie hinausbefördert hatten: Gegen Ende vorigen Jahres war das, und die Schlägerei war dann Anfang des neuen Jahres, nach dem
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