Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
und über sie hinaus sehe ich wenig deutlich. Und zwischen uns steht nun ein Schatten. Vielleicht ist es so vorgesehen, dass durch meinen Verlust das Königreich der Menschen wiederhergestellt werden soll. Daher sage ich dir, trotz meiner Liebe zu dir: Um keiner Kleinigkeit willen soll Arwen Undómiel das Geschenk ihres Lebens vermindern. Kein geringerer Mensch soll sie zum Weib nehmen als der König von Gondor und Arnor. Selbst unser Sieg kann mir dann nur Kummer und Trennungsschmerz bringen – dir allerdings die Hoffnungauf ein befristetes Glück. Ach, mein Sohn, ich fürchte, Arwen wird das Menschenlos am Ende hart finden.‹
Und dabei blieb es von nun an zwischen Elrond und Aragorn, und sie sprachen nicht mehr darüber; und Aragorn ging wieder fort, neuen Mühen und Gefahren entgegen. Und während die Welt dunkler wurde und Furcht sich ausbreitete, weil Saurons Macht wuchs und Barad-dûr immer höher und stärker aufragte, blieb Arwen in Bruchtal. Von fern wachte sie in Gedanken über Aragorn auf seinen Wegen; und in ihrer Hoffnung machte sie für ihn ein großes und königliches Banner, wie es nur einer entrollen konnte, der auf die Königswürde der Númenórer und auf Elendils Erbe Anspruch erhob.
Einige Jahre darauf nahm Gilraen Abschied von Elrond und kehrte zu ihren Verwandten in Eriador zurück. Dort lebte sie allein, und selten nur sah sie ihren Sohn, denn viele Jahre hielt er sich in fernen Ländern auf. Doch einmal, als Aragorn in den Norden heimgekehrt war, kam er zu ihr, und bevor er wieder ging, sagte sie:
›Estel, mein Sohn, dies ist unser letzter Abschied. Die Sorge hat mich altern lassen wie eine vom geringeren Volk; und nun, da das Dunkel unserer Zeit dichter wird und näher kommt, kann ich ihm nicht entgegensehen. Ich werde die Welt bald verlassen.‹
Aragorn versuchte sie zu trösten. Er sagte: ›Doch vielleicht kommt wieder Licht nach dem Dunkel, und dann möchte ich gern, dass du es siehst und dich freust.‹
Aber sie antwortete nur mit diesem linnod :
Onen i-Estel Edain, ú-chebin estel anim. 29
Und schweren Herzens ging Aragorn fort. Gilraen starb vor dem nächsten Frühjahr.
So verstrichen die Jahre bis zum Ringkrieg, von dem anderswo des Näheren berichtet wird: Wie unversehens das Mittel entdecktwurde, durch das Sauron niederzuwerfen war; und wie Hoffnung sich erfüllte, wo keine Hoffnung mehr war. Und wie es sich zutrug, dass Aragorn zur Stunde, als die Niederlage gewiss schien, vom Meer den Fluss heraufkam und in der Schlacht auf dem Pelennor Arwens Banner entrollte, und wie er an diesem Tag zum ersten Mal als König begrüßt wurde. Wie er endlich, als alles vollbracht war, das Erbe seiner Väter antrat und die Krone von Gondor und das Zepter von Arnor empfing; wie er zu Mittsommer des Jahres, in dem Sauron gestürzt wurde, Arwen Undómiels Hand nahm und sie in der Stadt der Könige einander vermählt wurden.
So endete das Dritte Zeitalter mit Sieg und Hoffnung; doch schmerzlich selbst unter all den Schmerzen jener Zeit war Elronds Abschied von Arwen, denn durch das Meer und durch das Schicksal wurden sie geschieden bis über der Welt Ende hinaus. Als der Große Ring vernichtet wurde und auch die Drei ihrer Macht entkleidet waren, wurde Elrond zuletzt müde und verließ Mittelerde für immer. Arwen wurde nun eine Frau wie die Sterblichen, und doch war es nicht ihr Los zu sterben, bevor nicht alles, was sie gewonnen hatte, verloren war.
Als Königin der Elben und Menschen lebte sie sechsmal zwanzig Jahre an Aragorns Seite in Glanz und Glück; doch endlich spürte er das nahende Alter und wusste, dass sein Leben, so lang es gewesen war, nun zu Ende ging. Da sagte er zu Arwen:
›Nun also, schönste und liebste Frau Abendstern, vergeht meine Welt. Sieh, wir haben genommen und wir haben gegeben, und nun kommt die Stunde der Abrechnung.‹
Arwen wusste genau, was er vorhatte, und hatte es lange vorhergesehen, und dennoch überwältigte sie der Kummer. ›Willst du denn, König, vor der Zeit dein Volk verlassen, das nach deinem Wort lebt?‹, sagte sie.
›Nicht vor der Zeit‹, antwortete er. ›Denn wenn ich jetzt nicht gehe, werde ich bald gehen müssen. Und Eldarion, unser Sohn, ist im besten Mannesalter und reif für die Königswürde.‹
Dann ging er zum Haus der Könige in der Stillen Straße und legtesich auf das lange Bett, das für ihn bereitstand. Dort sagte er Eldarion Lebewohl und legte Gondors Flügelkrone und Arnors Zepter in seine Hände. Dann verließen ihn
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