Der Herr der Ringe: Neuüberarbeitung der Übersetzung von Wolfgang Krege, überarbeitet und aktualisiert (German Edition)
hielten.
Frodo und Sam droschen zuerst auf die Stelle ein, wo Pippin gelehnt hatte. Dann zerrten sie verzweifelt an den Rändern der Spalte, die den armen Merry gefangen hielt: vergebens.
»Was für eine Gemeinheit!«, brüllte Frodo. »Warum mussten wir auch in diesen widerlichen Wald kommen! Ich wollte, wir säßen alle wieder in Krickloch!« Mit aller Kraft gab er dem Baum einen Tritt, ohne Rücksicht auf den eigenen Fuß. Ein kaum wahrnehmbares Beben lief durch den Stamm, bis ins Geäst hinauf; die Blätter raschelten und tuschelten, aber das Geräusch hörte sich nun wie leises, fernes Gelächter an.
»Ich meine, eine Axt haben wir wohl nicht im Gepäck, Herr Frodo?«, fragte Sam.
»Ein kleines Beil zum Brennholzhacken hab ich mitgenommen«, sagte Frodo. »Das wird uns nicht viel nützen.«
»Moment mal!«, rief Sam. Bei dem Wort »Brennholz« war ihm ein Gedanke gekommen. »Mit Feuer könnten wir was anfangen.«
»Vielleicht«, meinte Frodo voll Zweifel. »Mit dem Erfolg, dass Pippin da drin lebendig gebraten wird.«
»Wir könnten ja versuchen, diesem Baum erst mal ein bisschen wehzutun oder ihm Angst zu machen«, sagte Sam grimmig. »Wenn er sie nicht loslässt, leg ich ihn um, und wenn ich ihn mit den Zähnen durchbeißen müsste.« Er rannte zu den Ponys und kam bald darauf mit zwei Zunderbüchsen und dem Beil wieder.
Schnell suchten sie trockenes Gras, Laub und Rindenstückchen zusammen; darauf schichteten sie klein gebrochene Zweige und zerhackte Äste. Den ganzen Stoß legten sie an den Stamm auf der von den Gefangenen abgewandten Seite des Baumes. Sobald Sam aus dem Zunder einen Funken gerieben hatte, entzündete sich dastrockene Gras, und ein Gestöber von Rauch und Flämmchen stieg auf. Das Kleinholz knackte. Kleine Feuerzungen leckten an der trockenen, runzligen Rinde des alten Baums und sengten sie an. Ein heftiges Zittern lief durch die ganze Weide. Über den Köpfen der Hobbits schienen die Blätter vor Wut und Schmerz zu zischen. Merry stieß einen lauten Schrei aus, und tief aus dem Innern des Stamms kam ein ersticktes Wimmern von Pippin.
»Löschen! Löschen!«, schrie Merry. »Er drückt mich entzwei, wenn ihr’s nicht löscht. Sagt er.«
»Wer sagt das? Was?«, brüllte Frodo und rannte zur andern Seite des Baums.
»Löschen! Löschen!«, bettelte Merry. Die Weidenäste begannen sich heftig zu biegen und zu schwanken, wie wenn ein Wind hineingefahren wäre, und mit einem Rauschen, das sich durchs Geäst aller andern Bäume ringsum ausbreitete, als hätte man einen Stein in das schläfrige Flusstal geworfen und eine Welle des Zorns erweckt, die nun durch den ganzen Wald liefe. Sam trat in das kleine Feuer und stampfte die Funken aus. Frodo jedoch, ohne jede klare Vorstellung, warum er es tat oder was er sich davon erhoffte, rannte den Weg entlang und schrie Hilfe! Hilfe! Hilfe! Er konnte die eigene schrille Stimme kaum hören, so schnell wurden ihm die Worte, kaum dass er sie über die Lippen gebracht hatte, von dem Wind aus den Weiden davongeweht und im Getöse der Blätter erstickt. Er war am Verzweifeln: nirgends fand sich Hilfe oder Rat.
Auf einmal blieb er stehen. Ihm war, als hörte er eine Antwort, aber sie schien von hinter ihm zu kommen, von einer tiefer im Wald gelegenen Stelle des
Pfades. Er drehte sich um und horchte. Bald konnte kein Zweifel mehr sein: jemand sang. Eine tiefe, muntere Stimme sang vergnügt drauflos, und das Lied,
das sie sang, schien reines Geblödel zu sein:
Dong – long! Dongelong! Läute laute lillo!
Wenn – wann, Weidenmann! Dollidallidillo!
Tom Bom! Toller Tom! Tom Bombadillo!
Halb in Hoffnung, halb in Befürchtung einer neuen Gefahr standen Frodo und Sam still. Dann, nach einer langen Folge trällernder und trillernder Wörter, denen sie keinen Sinn entnehmen konnten, wurde die Stimme mit einem Mal laut und deutlich und ging zu einem Lied über:
Dong – long! Dongelong! Dongelong, mein Schätzchen!
Leicht geht der Wetterwind, fliegt das Federspätzchen,
Dort am Fuß des Berges, dort im hellen Sonnenlicht
Wartet meine Holde auf das kalte Sternenlicht,
Steht das Kind der Wasserfrau auf des Hauses Schwelle,
Schlank wie der Weidenzweig, klarer als die Quelle.
Bringt der alte Bombadil Seerosen ihr wieder,
Hüpft vor Freude heim zu ihr! Hört ihr seine Lieder?
Dong – long! Dongelong! Dongelonge – lerio!
Goldbeere! Goldenbeer – honiggelbe Beer-io!
Armer alter Weidenmann, zieh doch ein die Wurzeln,
Tom hat Eile, dunkel
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