Der Herr der Ringe
über all die Veränderungen in Smaugs Einöde staunen!«
Glóin blickte Frodo an und lächelte. »Ihr habt Bilbo sehr gern gehabt, nicht wahr?«, fragte er.
»Ja«, antwortete Frodo. »Ihn würde ich lieber sehen als alle Türme und Paläste der Welt.«
Schließlich fand das Festmahl ein Ende. Elrond und Arwen erhoben sich und schritten durch die Halle, und die Gesellschaft folgte ihnen in gebührender Gemessenheit. Die Türen wurden geöffnet, und sie gingen über einen breiten Gang durch andere Türen und kamen dann in eine zweite Halle. Hier standen keine Tische, doch ein helles Feuer brannte in einem großen Kamin zwischen den geschnitzten Säulen auf beiden Seiten.
Frodo ging neben Gandalf. »Das ist die Halle des Feuers«, sagte der Zauberer. »Hier wirst du viele Lieder und Erzählungen hören – wenn du wach bleiben kannst. Doch außer an hohen Festtagen ist die Halle gewöhnlich leer und still, und hierher kommen Leute, die Ruhe haben wollen zum Nachdenken. Es brennt immer ein Feuer hier, das ganze Jahr hindurch, aber sonst ist kaum Licht da.«
Als Elrond eintrat und auf den für ihn vorbereiteten Sessel zuging, begannen Elben-Spielleute eine süße Musik. Langsam füllte sich die Halle, und Frodo schaute voll Entzücken auf die vielen schönen Gesichter, die sich hier zusammenfanden; das goldene Licht des Kaminfeuers spielte auf ihnen und schimmerte in ihrem Haar. Plötzlich bemerkte er, nicht weit von der anderen Seite des Feuers, eine kleine, dunkle Gestalt, die auf einem Schemel saß und den Rücken gegen eine Säule lehnte. Auf dem Boden stand eine Trinkschale, und Brot lag daneben. Frodo fragte sich, ob es ein Kranker sei (falls die Leute in Bruchtal überhaupt krank würden), der nicht zum Festmahl hatte kommen können. Sein Kopf schien ihm im Schlaf tief auf die Brust gesunken, und eine Falte seines dunklen Mantels war über sein Gesicht gezogen.
Elrond ging auf die schweigende Gestalt zu. »Wach auf, kleiner Herr!«, sagte er lächelnd. Dann drehte er sich zu Frodo um und winkte ihm. »Jetzt endlich ist die Stunde gekommen, die du ersehnt hast, Frodo«, sagte er. »Hier ist ein Freund, den du lange entbehrt hast.«
Die dunkle Gestalt hob den Kopf und zog den Mantel vom Gesicht.
»Bilbo!«, rief Frodo, als er ihn erkannte, und sprang auf ihn zu.
»Hallo, Frodo, mein Junge«, sagte Bilbo. »So bist du also endlich hergekommen. Ich hatte gehofft, dass du es schaffen würdest. Gut, gut. All dieses Feiern ist also dir zu Ehren, wie ich höre. Ich hoffe, du hast dich gut unterhalten?«
»Warum bist du nicht dabei gewesen?«, rief Frodo. »Und warum habe ich dich nicht früher sehen dürfen?«
»Weil du geschlafen hast. Von dir habe ich eine ganze Menge gesehen. Jeden Tag habe ich mit Sam an deinem Bett gesessen. Aber was das Festmahl betrifft, so mache ich mir jetzt nicht mehr viel aus derlei Dingen. Und ich hatte etwas anderes zu tun.«
»Was hast du denn getan?«
»Nun, dagesessen und nachgedacht. Das tue ich heutzutage viel, und für gewöhnlich ist das hier der beste Ort dafür. Wach auf! Wirklich!«, sagte er und warf Elrond einen verschmitzten Blick zu, in dem Frodo keinerlei Anzeichen von Schläfrigkeit erkennen konnte. »Wach auf! Ich habe nicht geschlafen, Herr Elrond. Wenn ihr es wissen wollt, ihr seid alle zu früh von eurem Festmahl gekommen und habt mich gestört – ich war gerade dabei, ein Gedicht zu machen. Ein oder zwei Zeilen stimmten nicht, und ich dachte eben über sie nach; aber jetzt werde ich sie wohl nicht mehr fertig bekommen. Es wird hier so viel Gesang geben, dass mir alle Gedanken aus dem Kopf getrieben werden. Ich werde meinen Freund, den Dúnadan, brauchen, damit er mir hilft. Wo ist er?«
Elrond lachte. »Er soll gefunden werden«, sagte er. »Dann sollt ihr beide in einen Winkel gehen und euer Gedicht vollenden, und wir werden es uns anhören und beurteilen, ehe unser Fest zu Ende ist.« Hausdiener wurden ausgesandt, um Bilbos Freund zu suchen, obwohl niemand wusste, wo er war oder warum er nicht am Festmahl teilgenommen hatte.
Inzwischen saßen Frodo und Bilbo nebeneinander, und Sam kam rasch und gesellte sich zu ihnen. Sie unterhielten sich leise und vergaßen die Fröhlichkeit und Musik in der Halle. Bilbo hatte nicht viel von sich zu erzählen. Nachdem er Hobbingen verlassen hatte, war er ziellos dahingewandert, die Straße entlang oder durch das Land auf beiden Seiten; aber irgendwie war die ganze Zeit Bruchtal sein Ziel gewesen.
»Ich bin ohne
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