Der Herr der Ringe
mich in Bree«, sagte Streicher lachend, »und so bin ich ihm vorgestellt worden!«
»Und warum nennst du ihn Dúnadan?«, fragte Frodo.
» Den Dúnadan«, antwortete Bilbo. »So wird er hier oft genannt. Aber ich dachte, du könntest genug Elbisch, um wenigstens dún-adan zu verstehen: Mensch des Westens, Númenórer. Aber jetzt ist nicht die richtige Zeit für Unterricht!« Er wandte sich an Streicher. »Wo bist du gewesen, mein Freund? Warum warst du nicht bei dem Festmahl? Frau Arwen war da.«
Streicher sah Bilbo ernst an. »Ich weiß«, sagte er. »Aber oft muss ich auf die Freuden verzichten. Elladan und Elrohir sind unerwartet aus der Wildnis zurückgekehrt und haben Nachrichten mitgebracht, die ich sofort hören wollte.«
»Nun, mein lieber Freund«, sagte Bilbo, »hast du jetzt, nachdem du die Neuigkeiten gehört hast, einen Augenblick für mich Zeit? Ich brauche deine Hilfe bei etwas Dringendem. Elrond sagt, dieses Lied von mir müsse fertig sein, ehe der Abend zu Ende ist, und ich sitze fest. Lass uns in eine Ecke gehen und der Sache den letzten Schliff geben!«
Streicher lächelte. »Dann komm!«, sagte er. »Lass es mich hören.«
Frodo blieb eine Weile sich selbst überlassen, denn Sam war fest eingeschlafen. Er kam sich ziemlich einsam und verlassen vor, obwohl rings um ihn die Leute von Bruchtal versammelt waren. Aber diejenigen, die in seiner Nähe saßen, schwiegen und lauschten ganz versunken der Musik der Stimmen und Instrumente und achteten auf nichts anderes. Frodo fing an zuzuhören.
Als er begann aufzumerken, bezauberten ihn zuerst die Schönheit der Melodien und die eingeflochtenen Wörter in der Elbensprache, obwohl er sie kaum verstand. Fast schien es, als nähmen die Wörter Gestalt an, und Visionen von fernen Landen und hellen Dingen, die er sich niemals hatte vorstellen können, erschlossen sich vor ihm; und die vom Feuer erleuchtete Halle wurde zu einem goldenen Nebel über unermesslichen Meeren, die an den Rändern der Welt seufzten. Dann wurde die Verzauberung immer traumähnlicher, bis er das Gefühl hatte, über ihn fließe ein endloser Stromvon wallendem Gold und Silber hinweg, der zu vielfältig war, als dass er sein Muster hätte begreifen können; der Strom wurde ein Teil der Luftschwingungen und durchtränkte und überflutete ihn. Rasch sank er unter seinem schimmernden Gewicht in ein tiefes Reich des Schlafes.
Dort wanderte er lange in einem Traum, in dem sich Musik in fließendes Wasser verwandelte und dann plötzlich in eine Stimme. Es schien Bilbos Stimme zu sein, der Verse sang. Undeutlich zuerst und dann klarer wurden die Worte.
Earendil hieß ein Schiffer kühn ,
Der weilte in Avernien,
Schlug Holz und baute sich ein Schiff,
Von Nimbrethil auf Fahrt zu gehn.
Die Segel zog er silbern auf,
Laternen silbern hing er aus,
Den Bug schuf er dem Schwane gleich,
Die Wimpel flogen hell im Licht.
Dem alten Königsbrauch gemäß
Legte er Helm und Rüstung an,
Grub Runen in den Silberschild
Zum Schutze gegen Harm und Not;
Sein Bogen war aus Drachenhorn,
Aus Ebenholz ein jeder Pfeil,
Sein Köcher war aus Chalzedon,
Sein kräftiges Schwert aus blankem Stahl.
Sein Helm war adamanten hart
Und Adlerfedern krönten ihn,
Aus Silber war sein Panzerhemd,
Auf seiner Brust schien ein Smaragd.
Es trieb ihn unter Mond und Stern
Weitab vom Nördlichen Gestad,
Und irrend übers wilde Meer
Verlor er Sicht und Menschenspur.
Von Eisesgründen wandte er
Sich ab, wo ewig Schatten herrscht,
Die Wüstenhitze auch verließ
Er eilends, trieb noch weit umher
Auf dunklen Wässern ohne Stern
Bis in die Nacht des Nichts hinein.
Auch diese ließ er hinter sich,
doch nie erblickt’ er unterwegs
Der heiß ersehnten Küste Licht.
Der Winde Wüten jagte ihn
Geblendet durch den wilden Gischt
Von West nach Osten willenlos
Und nirgends freundlich angesagt.
Da nahte Elwing sich im Flug,
Und Licht durchflammte schwarze Nacht,
Von ihrer Kette glomm es weiß,
Viel heller noch als Diamant.
Sie heftete den Silmaril
Ans Haupt des Schiffers, krönte ihn
Mit Licht, das nie verlöschen kann.
Beherzt warf er das Ruder um;
Und in der Nacht erhob sich Sturm
Von jenseits aller Meere her.
Es wehte frei und voller Kraft
Ein Wind der Macht von Tarmenel:
Auf Wasserpfaden, unbekannt
Den Sterblichen, trieb er ihn nun
Mit Urgewalt durch graue Flut
Von Osten her gen Westen hin.
Durch Immernacht trug’s ihn zurück
Auf tosend aufgetürmter See
Hin über lang versunknes
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