Der Herr der Ringe
Beherrschende Ring, und niemand wusste etwas über ihn, und die Drei wurden frei von seinem Einfluss. Doch nun in letzter Zeit sind sie wiederum in Gefahr, weil zu unserem Kummer der Eine wiedergefunden wurde. Andere sollen darüber berichten, wie er gefunden wurde, denn ich spielte dabei nur eine kleine Rolle.«
Er schwieg, und sofort erhob sich Boromir und stand groß und stolz vor ihnen. »Erlaubt mir, Herr Elrond«, sagte er, »zuerst noch etwas über Gondor zu sagen; denn ich komme wahrlich aus dem Lande Gondor. Und es wäre gut, wenn alle wüssten, was dort vor sich geht. Wenige, glaube ich, wissen von unseren Taten und ahnen kaum, in welcher Gefahr sie wären, wenn wir zuletzt unterlägen.
Glaubt nicht, dass im Lande Gondor das Blut von Númenor kraftlos sei oder all sein Stolz und seine Würde vergessen. Durch unsere Beherztheit wird dem wilden Volk des Ostens noch Einhalt geboten und der Schrecken von Mordor in Schach gehalten; und allein dadurch werden Frieden und Freiheit bewahrt in den Ländern hinter uns, die wir das Bollwerk des Westens sind. Aber wenn dem Feind die Übergänge über den Fluss in die Hände fallen, was dann?
Und diese Stunde ist jetzt vielleicht nicht mehr fern. Der Namenlose Feind hat sich wieder erhoben. Rauch steigt von neuem aus dem Orodruin auf, den wir Schicksalsberg nennen. Die Macht des Schwarzen Landes wächst, und wir sind schwer bedrängt. Als der Feind zurückkehrte, wurde unser Volk aus Ithilien vertrieben, unsrem schönen Gebiet östlich des Stroms, obwohl wir dort eine feste Stellung und bewaffnete Macht unterhielten. Doch in ebendiesem Jahr, in den Tagen des Juni, wurden wir plötzlich von Mordor mit Krieg überzogen, und wir wurden hinweggefegt. Wir waren zahlenmäßig unterlegen, denn Mordor verbündete sich mit den Ostlingen und den grausamen Haradrim; doch nicht durch die Überzahl wurden wir besiegt. Es war eine Macht da, die wir früher nie gespürt hatten.
Manche sagen, man habe sie sehen können wie einen großen schwarzen Reiter, einen dunklen Schatten unter dem Mond. Wo immer er hinkam, wurden unsere Feinde von Raserei gepackt, doch Furcht befiel selbst die kühnsten unter uns, sodass Ross und Reiter zurückwichen und flohen. Nur ein Rest unserer Heere im Osten kehrte zurück und zerstörte die letzte Brücke, die noch inmitten der Trümmer von Osgiliath stand.
Ich gehörte zu der Schar, die die Brücke besetzt hielt, bis sie hinter uns zusammenbrach. Nur vier konnten sich schwimmend retten: mein Bruder und ich und zwei andere. Aber noch kämpften wir weiter und hielten das ganze westliche Ufer des Anduin; und jene, die hinter uns Schutz fanden, spenden uns Lob, wann immer sie unseren Namen hören: viel Lob, aber wenig Hilfe. Nur von Rohan werden noch Männer zu uns reiten, wenn wir rufen.
In dieser bösen Stunde habe ich viele gefährliche Wegstrecken zurückgelegt, um als Botschafter zu Elrond zu kommen: Hundertundzehn Tage bin ich ganz allein unterwegs gewesen. Aber ich suche nicht Verbündete im Krieg. Elronds Macht beruht auf Weisheit, nicht auf Waffen, heißt es. Ich komme, um Rat zu erbitten und die Enträtselung schwieriger Wörter. Denn am Vorabend des plötzlichen Überfalls hatte mein Bruder in unruhigem Schlaf einen Traum; und später träumte er denselben Traum noch oft, und einmal auch ich.
In diesem Traum war mir, als würde der östliche Himmel dunkel und ein Unwetter zöge näher, doch stand im Westen noch ein bleiches Licht, und aus dem Licht hörte ich eine Stimme, fern, doch klar, die rief:
Das Geborstne Schwert sollt ihr suchen,
Nach Imladris ward es gebracht,
Dort soll euch Ratschlag werden,
Stärker als Morgul-Macht.
Ein Zeichen soll euch künden,
Das Ende steht bevor,
Denn Isildurs Fluch wird erwachen,
Und der Halbling tritt hervor.
Von diesen Worten verstanden wir wenig, und wir sprachen mit unserem Vater Denethor, dem Herrn von Minas Tirith, der beschlagen ist in Gondors Überlieferungen. Nur soviel war er bereit zu sagen, dass Imladris bei den Elben seit alters her der Name für ein Tal im hohen Norden war, in dem Elrond der Halbelbe lebte, der größte unter den Wissenden. Da mein Bruder sah, wie verzweifelt unsere Not war, wollte er auf den Traum hören und Imladris suchen; weil aber der Weg schwierig und gefährlich war, nahm ich die Reise auf mich. Ungern gab mein Vater seine Einwilligung, und lange bin ich gewandert über vergessene Straßen und habe Elronds Haus gesucht, von
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