Der Herr der Ringe
Er allein stand seinem Vater in dem letzten tödlichen Kampf bei; und Gil-galad standen nur Círdan und ich bei. Doch wollte Isildur auf unseren Rat nicht hören.
›Den will ich als Wergeld haben für meinen Vater und meinen Bruder‹, sagte er; und daher nahm er ihn, ob wir wollten oder nicht, zum Andenken. Doch bald wurde er durch den Ring betrogen und fand den Tod; und so wurde der Ring im Norden Isildurs Fluch genannt. Indes war der Tod vielleicht besser als das, was ihm sonst hätte widerfahren können.
Nur in den Norden gelangte diese Kunde, und nur wenige erfuhren sie. Kein Wunder, dass Ihr nicht davon gehört habt, Boromir. Von dem Verhängnis auf den Schwertelfeldern, wo Isildur fiel, kamen nach langen Wanderungen über das Gebirge nur drei Mann zurück. Einer von ihnen war Ohtar, Isildurs Schildknappe, und er brachte die Bruchstücke von Elendils Schwert mit; er gab sie Valandil, Isildurs Erben, der, da er noch ein Kind war, in Bruchtal geblieben war. Aber Narsil war geborsten und sein Licht war ausgelöscht, und es ist bisher nicht wieder geschmiedet worden.
Fruchtlos nannte ich den Sieg des Letzten Bündnisses? Ganz so war es nicht, wenn auch das Ziel nicht erreicht wurde. Sauron war geschwächt, doch nicht vernichtet. Sein Ring war verloren, doch nicht zerstört. Der Schwarze Turm war geschleift, doch seine Grundmauern standen noch; denn sie waren mit der Macht des Ringes gebaut worden, und solange er besteht, bleiben sie erhalten. Viele Elben und viele mächtige Menschen und viele ihrer Freunde gingen im Kriege zugrunde. Anárion wurde erschlagen und Isildur wurde erschlagen; und Gil-galad und Elendil waren nicht mehr. Niemals wieder wird es ein solches Bündnis zwischen Elben und Menschen geben; denn die Menschen nehmen an Zahl zu, und die Erstgeborenen nehmen an Zahl ab, und die beiden Sippen sind einander entfremdet. Und seit jenem Tage ist das Geschlecht von Númenor kraftloser geworden, und seine Lebensspanne hat sich vermindert.
Nach dem Krieg und dem Gemetzel auf den Schwertelfeldern waren im Norden die Menschen von Westernis geschwächt, und ihre Stadt Annúminas am Abendrot-See fiel in Trümmer; und Valandils Erben zogen von dannen und lebten in Fornost an den Nordhöhen, und auch das liegt heute verlassen. Die Menschen nennen es den Totendeich und fürchten sich, dort zu wandern. Denn das Volk von Arnor schwand dahin und wurde von seinenFeinden verschlungen, seine Herrschaft verging, und nichts blieb zurück als grüne Grabhügel auf den grasbewachsenen Bergen.
Im Süden hielt sich das Reich Gondor lange; und eine Zeitlang nahm sein Glanz zu und rief gleichsam die Macht von Númenor vor dessen Sturz in Erinnerung. Hohe Türme baute jenes Volk und starke Festen und Häfen für viele Schiffe; und die geflügelte Krone der Könige der Menschen flößte Völkern vieler Zungen ehrfürchtige Scheu ein. Ihre Hauptstadt war Osgiliath, die Zitadelle der Sterne, durch deren Mitte der Strom floss. Und Minas Ithil bauten sie, die Feste des Aufgehenden Mondes, östlich auf einem Ausläufer des Schattengebirges; und westlich am Fuße des Weißen Gebirges errichteten sie Minas Anor, die Feste der Untergehenden Sonne. Dort in den Höfen des Königs wuchs ein weißer Baum aus dem Samen jenes Baumes, den Isildur über das tiefe Wasser gebracht hatte und dessen Samen früher aus Eressea gekommen war, und davor aus dem Äußersten Westen in der Zeit vor den Zeiten, als die Welt jung war.
Aber das Geschlecht von Meneldil, Anárions Sohn, starb aus im Laufe der flüchtigen Jahre von Mittelerde, und der Baum verdorrte, und das Blut der Númenórer vermischte sich mit dem von geringeren Menschen. Dann war die Wache auf den Mauern von Mordor nachlässig, und finstere Wesen krochen zurück nach Gorgoroth. Und eines Tages erschienen böse Geschöpfe und nahmen Minas Ithil und wohnten dort, und sie machten eine Stätte des Entsetzens daraus; und es wurde Minas Morgul genannt, die Feste der Hexerei. Dann wurde Minas Arnor in Minas Tirith umbenannt, die Feste der Wachsamkeit; und diese beiden Städte führten immer gegeneinander Krieg. Doch Osgiliath, das zwischen ihnen lag, war verlassen, und in seinen Ruinen gingen Schatten um.
So ist es seit vielen Menschenleben gewesen. Doch die Herrscher von Minas Tirith kämpfen immer noch, trotzen unseren Feinden und halten den Fluss offen von Argonath bis zum Meer. Und jetzt endet der Teil der Geschichte, den ich erzählen wollte. Denn in den Tagen Isildurs verschwand der
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