Der Herr der Ringe
auf Zuruf herkam und, wenn entlassen, davongekroch.
»So, das ist erledigt«, sagte Gandalf. »Jetzt muss ich Baumbart suchen und ihm sagen, wie die Dinge verlaufen sind.«
»Er wird es doch gewiss vermutet haben?«, fragte Merry. »Bestand die Wahrscheinlichkeit, dass sie anders ausgehen würden?«
»Nein, es war nicht wahrscheinlich«, antwortete Gandalf, »obwohl es an einem Haar gehangen hatte. Aber ich hatte Gründe, es zu versuchen; einige barmherzige und andere, die es weniger waren. Zum ersten Mal wurde Saruman gezeigt, dass die Macht seiner Stimme im Schwinden ist. Er kann nicht sowohl Gewaltherrscher als auch Ratgeber sein. Wenn die Zeit für die Verschwörung reif ist, bleibt sie nicht länger geheim. Dennoch ging er in die Falle und versuchte, mit seinen Opfern einzeln fertigzuwerden, während andere zuhörten. Dann gab ich ihm eine letzte und ehrliche Gelegenheit, sich zu entscheiden: sowohl Mordor als auch seine eigenen Pläne aufzugeben und dadurch Wiedergutmachung zu leisten, dass er uns in unserer Not hilft. Er kennt unsere Not, niemand besser als er. Sehr nützlich hätte er uns sein können. Aber er hat es vorgezogen, uns die Hilfe zu versagen und die Macht von Orthanc zu behalten. Er will nicht dienen, sondern befehlen. Jetzt lebt er in Angst vor dem Schatten von Mordor, und dennoch träumt er davon, den Sturm zu überstehen. Unseliger Narr! Er wird verschlungen werden, wenn die Macht des Ostens ihre Arme nach Isengart ausstreckt. Wir können Orthanc nicht von außen zerstören, aber Sauron – wer weiß, was er tun kann?«
»Und wenn Sauron nicht siegt? Was wirst du ihm dann antun?«, fragte Pippin.
»Ich? Nichts!«, sagte Gandalf. »Ich werde ihm nichts antun. Ich trachte nicht nach Herrschaft. Was aus ihm werden wird? Das kann ich nicht sagen. Es grämt mich, dass so vieles, was gut war, nun in dem Turm verrottet. Immerhin sind die Dinge für uns nicht schlecht gegangen. Seltsam sind die Wendungen des Schicksals! Oft schadet Hass sich selbst! Ich stelle mir vor, selbst wenn wir hineingegangen wären, hätten wir nur wenig Schätze in Orthanc finden können, die kostbarer wären als das Ding, das Schlangenzunge auf uns herabgeworfen hat.«
Ein schriller Schrei, der plötzlich abbrach, kam aus einem offenen Fenster hoch oben.
»Es scheint, dass Saruman das auch meint«, sagte Gandalf. »Überlassen wir sie sich selbst!«
Sie kehrten nun zu dem zerstörten Tor zurück. Kaum waren sie unter dem Gewölbebogen hindurchgegangen, als Baumbart und ein Dutzend anderer Ents aus den Schatten der aufgehäuften Steine herauskamen, wo sie gestanden hatten. Aragorn, Gimli und Legolas starrten sie verwundert an.
»Hier sind drei meiner Gefährten, Baumbart«, sagte Gandalf. »Ich habe von ihnen gesprochen, aber Ihr habt sie noch nicht gesehen.« Er nannte ihre Namen.
Der alte Ent sah sie lange und forschend an und sprach dann nacheinandermit ihnen. Zuletzt wandte er sich an Legolas. »So seid Ihr also den ganzen Weg von Düsterwald hergekommen, mein guter Elb? Ein sehr großer Wald war es einst!«
»Und ist es noch«, sagte Legolas. »Aber nicht so groß, dass wir, die wir dort leben, es je müde würden, neue Bäume zu sehen. Ich würde überaus gern in Fangorns Wald wandern. Ich bin kaum über seinen Saum hinausgelangt und hatte nicht den Wunsch umzukehren.«
Baumbarts Augen strahlten vor Freude. »Ich hoffe, Euer Wunsch wird Euch erfüllt, ehe die Berge viel älter sind«, sagte er.
»Ich werde kommen, wenn ich Gelegenheit habe«, sagte Legolas. »Ich habe ein Abkommen mit meinem Freund getroffen, dass wir, wenn alles gutgeht, gemeinsam Fangorn besuchen – mit Eurer Erlaubnis.«
»Jeder Elb, der mit Euch kommt, wird willkommen sein«, sagte Baumbart.
»Der Freund, von dem ich spreche, ist kein Elb«, sagte Legolas. »Ich meine Gimli, Glóins Sohn, hier.« Gimli verbeugte sich tief, und die Axt rutschte aus seinem Gürtel und fiel klirrend auf den Boden.
»Hum, hm! Je nun«, sagte Baumbart und blickte ihn finster an. »Ein Zwerg und Axtträger! Hum! Ich bin den Elben wohlgesinnt, aber Ihr verlangt viel. Das ist eine seltsame Freundschaft!«
»Seltsam mag sie erscheinen«, sagte Legolas. »Aber solange Gimli lebt, werde ich nicht allein nach Fangorn kommen. Seine Axt ist nicht für Bäume, sondern für Orknacken, o Fangorn, Herr von Fangorns Wald. Zweiundvierzig erschlug er in der Schlacht.«
»Hu! Schon gut!«, sagte Baumbart. »Das hört sich besser an! Nun, die Dinge werden ihren Lauf
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