Der Herr der Ringe
Schilden; Menschen schrien und kreischten, und eine helle, laute Stimme rief: Gondor! Gondor!
»Es klingt, als ob hundert Schmiede alle zugleich hämmern«, sagte Sam zu Frodo. »Näher möchte ich sie jetzt nicht haben.«
Aber der Lärm näherte sich. »Sie kommen!«, rief Damrod. »Schaut! Einige der Südländer sind aus der Falle ausgebrochen und fliehen von der Straße. Da sind sie! Unsere Leute verfolgen sie, und der Heermeister vorneweg.«
Neugierig, mehr zu sehen, stand Sam auf und begab sich zu den Wachposten. Er kletterte ein wenig bergauf bis zu dem größeren der Lorbeerbäume. Flüchtig sah er schwärzliche Menschen in Rot, die in einiger Entfernung den Hang hinunterrannten, und grün gekleidete Krieger eilten ihnen nach und hauten sie nieder, während sie flohen. Viele Pfeile schwirrten durch die Luft. Dann plötzlich fiel ein Mann unmittelbar über den Rand der schützenden Böschung und stürzte zwischen den schlanken Bäumen hindurch fast auf sie drauf. Er blieb in dem Farn ein paar Fuß entfernt liegen, das Gesicht nach unten, und grün gefiederte Pfeile staken unter einem goldenen Kragen in seinem Hals. Sein purpurrotes Gewand war zerfetzt, sein Panzerhemd aus übereinanderliegenden Bronzeplättchen war zerrissen und zerhauen, seine schwarzen, mit Gold durchwirkten Haarflechten blutgetränkt. Seine braune Hand umklammerte noch das Heft eines geborstenen Schwertes.
Es war die erste Schlacht von Menschen gegen Menschen, die Sam miterlebte, und sie gefiel ihm nicht sehr. Er war froh, dass er das Gesicht des Toten nicht sehen konnte. Er fragte sich, wie der Mann wohl hieß und wo er herkam und ob er wirklich ein böses Herz gehabt hatte, oder welche Lügen oder Drohungen ihn zu dem langen Marsch von seiner Heimat veranlasst hatten; und ob er nicht in Wirklichkeit lieber in Frieden dort geblieben wäre – all diese Gedanken gingen ihm blitzschnell durch den Kopf, wurden aber sofort wieder vertrieben. Denn gerade, als Mablung auf den Gefallenen zutrat, erhob sich ein neuer Lärm. Großes Geschrei und Gerufe brach aus. Und mittendrin hörte Sam ein schrilles Gebrüll oder Trompeten. Und dann ein mächtiges Stoßen und Stampfen wie gewaltige Rammen, die auf den Boden auftreffen.
»Obacht! Obacht!«, rief Damrod seinem Gefährten zu. »Mögen die Valar ihn abwenden! Mûmak! Mûmak!«
Zu seiner Verwunderung und seinem Entsetzen und nachhaltiger Begeisterung sah Sam eine riesige Gestalt durch die Bäume brechen und den Abhang herunterrennen. Groß wie ein Haus, viel größer als ein Haus schien er ihm zu sein, ein in Grau gehüllter, sich bewegender Berg. Furcht und Staunen vergrößerten ihn vielleicht in den Augen des Hobbits, aber der Mûmak von Harad war tatsächlich ein Tier von gewaltigen Ausmaßen, und seinesgleichen wandelt heute nicht mehr in Mittelerde; seine Stammesgenossen, die noch in jüngerer Zeit leben, vermitteln nur Andeutungen seiner Größe und Hoheit. Heran kam er, stracks auf die Beobachter zu, und dann schwenkte er gerade im rechten Augenblick zur Seite, raste nur ein paar Ellen entfernt vorbei, und der Boden schwankte unter ihren Füßen: Wie Bäume waren die großen Beine, die ungeheuren Ohren standen ab, der lange Rüssel war erhoben wie eine riesige Schlange, die gerade die Giftzähne in ihr Opfer schlagen will, die kleinen roten Augen wutentbrannt. Die hornartigen, nach oben gerichteten Stoßzähne waren mit goldenen Bändern umwunden und tropften von Blut. Sein Zaumzeug in Purpur und Rot hing in Fetzen um ihn. Was auf seinem stampfenden Rücken lag, waren offenbar die Reste eines regelrechten Kriegsturms, der bei seinem wütenden Rasen durch den Wald zertrümmert worden war; und hoch auf seinem Nacken klammerte sich noch verzweifelt eine winzige Gestalt fest – ein gewaltiger Krieger, ein Riese unter den Schwärzlingen.
Weiter donnerte das große Tier und stapfte in blinder Wut durch Teich und Dickicht. Pfeile sprangen und hüpften, ohne Schaden anzurichten, über die dreifache Haut seiner Flanken. Männer beider Seiten flohen vor ihm, aber viele überholte er und zertrampelte sie am Boden. Bald war er außer Sicht, aber immer noch trompetete und schnaubte er in der Ferne. Was aus ihm wurde, erfuhr Sam nie: ob er entkam und eine Zeitlang in der Wildnis umherstreifte, bis er fern der Heimat zugrunde ging, oder ob er weiterraste, bis er in den Großen Strom stürzte und verschlungen wurde.
Sam holte tief Luft. »Ein Olifant war es!«, sagte er. »Es gibt also Olifanten,
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