Der Herr der Ringe
Karren. Den übernahm Merry und fuhr mit Dick (so wurde Fredegar Bolger von allen genannt) davon. »Jemand muss ja da sein und das Haus ein wenig wohnlich machen, ehe du kommst«, sagte er. »Gut, bis dann also – übermorgen, wenn ihr unterwegs nicht einschlaft.«
Folko ging nach dem Mittagessen nach Hause, aber Pippin blieb da. Frodo war unruhig und besorgt und horchte vergeblich auf ein Geräusch von Gandalf. Er beschloss, bis zum Einbruch der Nacht zu warten. Wenn Gandalf noch später käme und ihn dringend sprechen wollte, würde er sicher nach Krickloch kommen und vielleicht sogar schon vor ihm dort eintreffen. Denn Frodo wollte zu Fuß gehen. Er hatte sich vorgenommen, von Hobbingen aus ganz gemütlich zur Bockenburger Fähre zu wandern – eigentlich nur um des Vergnügens willen und weil er einen letzten Blick auf das Auenland werfen wollte.
»Ich werde mich auch ein bisschen in Form bringen müssen«, sagte er, als er sich in einem staubigen Spiegel in der halb leeren Halle betrachtete. Er hatte schon lange keine anstrengenden Wanderungen mehr gemacht, und sein Spiegelbild, fand er, sah ziemlich schlapp aus.
Nach dem Mittagessen erschienen, sehr zu Frodos Missvergnügen, die Sackheim-Beutlins, Lobelia und ihr rotblonder Sohn Lotho. »Endlich unsers«, sagte Lobelia, als sie eintrat. Es war nicht eben höflich; und genaugenommen auch nicht wahr, denn der Verkauf von Beutelsend wurde erst um Mitternacht rechtsgültig. Aber Lobelia kann vielleicht verziehen werden; sie hatte ungefähr siebenundsiebzig Jahre länger auf Beutelsend warten müssen, als sie einst gehofft hatte, und sie war nun hundert Jahre alt. Wie dem auch sei, jetzt war sie hier, um sich zu überzeugen, dass nichts, wofür sie bezahlt hatte, beiseitegeschafft würde; und sie wollte die Schlüssel haben. Es kostete viel Zeit, sie zufriedenzustellen, denn sie hatte eine vollständige Inventarliste mitgebracht und ging sie von A bis Z durch. Schließlich verschwand sie mit Lotho und dem Ersatzschlüssel, nachdem ihr versichert worden war, dass der andere Schlüssel bei den Gamdschies im Beutelhaldenweg abgegeben würde. Sie schnaufte verächtlich und zeigte deutlich, dass sie die Gamdschies für fähig hielt, während der Nacht die Höhle zu plündern. Frodo bot ihr keinen Tee an.
Er selbst trank Tee mit Pippin und Sam Gamdschie in der Küche. Es war offiziell bekanntgegeben worden, dass Sam mit nach Bockland gehen würde, »um für Herrn Frodo zu arbeiten und sein Stückchen Garten zu versorgen«: eine Abmachung, die vom Ohm gebilligt wurde, obwohl er untröstlich war über die Aussicht, Lobelia zur Nachbarin zu haben.
»Unsere letzte Mahlzeit auf Beutelsend!«, sagte Frodo und schob seinen Stuhl zurück. Den Abwasch überließen sie Lobelia. Pippin und Sam schnürten ihre drei Rucksäcke und stellten sie in die Vorhalle. Pippin ging hinaus, um ein letztes Mal durch den Garten zu schlendern. Sam verschwand.
Die Sonne ging unter. Beutelsend sah traurig und düster und unordentlich aus. Frodo wanderte durch die vertrauten Räume und sah den Schein des Sonnenuntergangs auf den Wänden verblassen und Schatten aus den Ecken hervorkriechen. Drinnen wurde es langsam dunkel. Er ging hinaus und hinunter zum Gatter am Ende des Pfads und dann noch ein kurzes Stück dieBühlstraße hinunter. Halb und halb erwartete er, Gandalf durch die Dämmerung heraufkommen zu sehen.
Der Himmel war klar, und die Sterne leuchteten hell. »Es wird eine schöne Nacht geben«, sagte er laut. »Das ist ein guter Anfang. Ich habe richtig Lust zum Wandern. Noch länger herumtrödeln kann ich einfach nicht ertragen. Ich gehe los, und Gandalf muss nachkommen.« Er wandte sich zum Gehen und hielt dann inne, denn er hörte Stimmen, ganz dicht am Ende vom Beutelhaldenweg. Eine Stimme war bestimmt die vom alten Ohm; die andere war fremd und irgendwie unangenehm. Er konnte nicht verstehen, was sie sagte, aber er hörte die Antworten des Ohms, die ziemlich schrill klangen. Der alte Mann schien verärgert zu sein.
»Nein, Herr Beutlin ist fort. Seit heute Morgen, und mein Sohn Sam ist mitgegangen: Jedenfalls sind alle seine Sachen weg. Ja, verkauft und fort, ich sag’s Euch doch. Warum? Warum geht mich nichts an und Euch auch nicht. Wohin? Das ist kein Geheimnis. Er ist nach Bockenburg gezogen oder an irgendeinen Ort weit da drüben. Jawohl, eine ganz schöne Strecke. Ich selbst bin nie so weit gekommen; sind komische Leute in Bockland. Nein, ich kann nichts bestellen. Gute
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