Der Herr der Ringe
herausgefunden hatte, wer diesen Ring besaß, der letzte, der noch frei war, und dass das außergewöhnliche Missgeschick von Durins Erben weitgehend seiner Bosheit zuzuschreiben war. Denn es erwies sich, dass die Zwerge durch dieses Mittel nicht zu unterwerfen waren. Die einzige Macht, die der Ring über sie besaß, bestand darin, dass er ihre Herzen mit einer Gier nach Gold und Kostbarkeiten erfüllte, sodass ihnen, wenn sie diese nicht hatten, alle anderen Dinge nutzlos erschienen und sie Zorn und Rachedurst gegen alle empfanden, die sie des Goldes beraubten. Aber von Anfang an waren sie von einer Art, die sich höchst beharrlich jeder Beherrschung widersetzt. Sie konnten zwar erschlagen oder verletzt werden, aber sie konnten nicht zu bloßen Schatten erniedrigt werden, die einem anderen Willen hörig waren; und aus demselben Grunde übte kein Ring insofern eine Wirkung auf ihr Leben aus, dass sie seinetwegen etwa länger oder kürzer lebten. Umso mehr hasste Sauron die Besitzer des Ringes und trachtete, sie seiner zu berauben.
Es lag daher vielleicht teilweise an der Bosheit des Ringes, dass Thráin nach einigen Jahren rastlos und unzufrieden wurde. Das Gelüst nach Gold ließ ihn nicht los. Schließlich, als er es nicht länger ertragen konnte, richtete er seine Gedanken auf Erebor und beschloss, dorthin zurückzukehren. Er sagte zu Thorin nichts von dem, was sein Herz bewegte; aber mit Balin und Dwalin und ein paar anderen machte er sich bereit, sagte Lebewohl und ging von dannen.
Wenig ist darüber bekannt, was ihm später widerfuhr. Es scheint jetzt, dass er, kaum dass er mit einigen wenigen Gefährten unterwegs war, von Saurons Abgesandten gejagt wurde. Wölfe verfolgten ihn, Orks lauerten ihm auf, böse Vögel beschatteten seinen Weg, und je mehr er sich mühte, nach Norden zu gehen, umso mehr Missgeschicke ereilten ihn. Es war in einer dunklen Nacht, als er und seine Gefährten in dem Land jenseits des Anduin wanderten und ein abscheulicher Regen sie zwang, unter den Säumen des Düsterwalds Schutz zu suchen. Am Morgen war er aus dem Lager verschwunden, und vergeblich riefen ihn seine Gefährten. Viele Tage suchten sie nach ihm, bis sie die Hoffnung schließlich aufgaben und fortgingen und zu Thorin zurückkehrten. Erst viel später erfuhr man, dass Thráin lebend ergriffen und in die Verliese von Dol Guldur gebracht worden war. Dort wurde er gefoltert, und der Ring wurde ihm abgenommen, und dort starb er schließlich.
So wurde Thorin Eichenschild Durins Erbe, aber ein Erbe ohne Hoffnung. Als Thráin umkam, war Thorin fünfundneunzig, ein großer Zwerg von stolzer Haltung; aber er schien es zufrieden zu sein, in Eriador zu bleiben. Dort arbeitete er lange, trieb Handel und erwarb so viel Reichtum, wie er konnte; und sein Volk vermehrte sich um viele aus dem wandernden Volk von Durin, die gehört hatten, dass er im Westen wohne, und zu ihm kamen. Jetzt hatten sie schöne Hallen in den Bergen und Warenbestände, und ihre Tage schienen nicht so hart, obwohl sie in ihren Liedern immer von dem fernen Einsamen Berg sprachen.
Die Jahre vergingen. Die Asche in Thorins Herz wurde wieder heiß, als er über die Kränkungen seines Hauses nachgrübelte und über die Rache an dem Drachen, die ein Erbe seiner Sippe war. Er dachte an Waffen und Heere und Bündnisse, wenn sein großer Hammer in seiner Schmiede hallte; aber die Heere waren verstreut und die Bündnisse gelöst, und der Äxte seines Volkes waren wenige; und ein großer Zorn ohne Hoffnung brannte in ihm, wenn er auf das rote Eisen auf dem Amboss schlug.
Doch schließlich kam es durch Zufall zu einer Begegnung zwischen Gandalf und Thorin, die das ganze Geschick von Durins Haus änderte und außerdem noch zu anderen und größeren Zielen führte. Eines Tages 48 , als Thorin von einer Reise in den Westen zurückkehrte, blieb er über Nacht in Bree. Dort war auch Gandalf. Er war auf dem Weg ins Auenland, das er seit etwa zwanzig Jahren nicht besucht hatte. Er war müde und wollte dort eine Weile rasten. Abgesehen von vielen Sorgen war er beunruhigt über die gefährliche Lage im Norden; denn er wusste damals schon, dass Sauron einen Krieg plante und beabsichtigte, sobald er sich stark genug fühlte, Bruchtal anzugreifen. Aber jedem Versuch von Osten, die Lande von Angmar und die nördlichen Pässe im Gebirge wiederzuerlangen, vermochten sich jetzt die Zwerge der Eisenberge zu widersetzen. Und jenseits dieser Berge lag die Wüstenei des Drachen. Des Drachen
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