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Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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mangelte es an nichts. Das Getränk in ihren Humpen schien klares, kaltes Wasser zu sein, doch stieg es ihnen zu Kopf wie Wein und löste ihre Zungen. Die Gäste merkten plötzlich, dass sie fröhlich sangen, als ob es leichter und natürlicher sei als Sprechen.
    Schließlich erhoben sich Tom und Goldbeere und räumten rasch den Tisch ab. Den Gästen wurde befohlen zu bleiben, sie wurden in Sessel gesetzt, und jeder erhielt einen Schemel für die müden Füße. In dem großen Kamin vor ihnen brannte ein Feuer, das süß duftete, als wären die Scheite aus Apfelholz. Als alles in Ordnung gebracht war, wurden alle Lichter im Raum ausgelöscht bis auf eine Lampe und ein Paar Kerzen an beiden Seiten des Kamins. Dann kam Goldbeere und stand vor ihnen mit einer Kerze in der Hand; und sie wünschte jedem von ihnen eine gute Nacht und festen Schlaf.
    »Habt nun Frieden«, sagte sie, »bis zum Morgen! Kümmert euch nicht um nächtliche Geräusche! Denn nichts dringt hier durch Tür und Fenster als Mondschein und Sternenlicht und der Wind vom Bergesgipfel. Gute Nacht!« Sie verließ das Zimmer mit leisem Schimmer und Rascheln. Ihre Schritteklangen wie ein Bach, der in der Stille der Nacht über kühle Steine sanft zu Tal plätschert.
    Tom blieb eine Weile schweigend bei ihnen sitzen, während jeder von ihnen den Mut aufzubringen versuchte, eine der vielen Fragen zu stellen, die er schon beim Abendessen hatte vorbringen wollen. Schlaf lastete schwer auf ihren Augen. Schließlich sprach Frodo: »Habt Ihr mich rufen hören, Meister, oder war es nur der Zufall, der Euch in jenem Augenblick herbeibrachte?«
    Tom erwachte wie jemand, der aus einem erfreulichen Traum gerissen wird. »Wie, was?«, fragte er. »Ob ich dich habe rufen hören? Nein, ich habe nichts gehört: Ich war mit Singen beschäftigt. Bloßer Zufall brachte mich dorthin, wenn du es Zufall nennst. Ich hatte es nicht geplant, obwohl ich auf euch wartete. Wir erhielten Nachricht über euch und erfuhren, dass ihr auf der Wanderschaft seid. Wir vermuteten, dass ihr bald zum Wasser herunterkämt: Alle Pfade führen dorthin, zur Weidenwinde hinunter. Der Alte Graue Weidenmann ist ein gewaltiger Sänger; und es ist schwer für kleine Leute, aus seinem listenreichen Irrgarten zu entkommen. Aber Tom hatte dort etwas zu tun, was er nicht zu hindern wagte.« Tom nickte, als ob der Schlaf ihn wieder übermanne; doch fuhr er mit leiser singender Stimme fort:
    Dort hatte ich zu tun, wollte etwas holen:
    Grüne Blätter holte ich, weiße Wasserlilien.
    Goldbeere bring ich sie, Goldbeere freut sich,
    Wenn sie ihr zu Füßen blühn, bis es taut im Frühling,
    Hol sie ihr in jedem Herbst, eh die Flocken fallen,
    Aus dem tiefen Wasserloch an der Weidenwinde;
    Denn die Ersten blühen dort und spät im Jahr die Letzten.
    Fand ich doch vor langer Zeit am Weiher dort sie selber,
    Holdes Kind der Wasserfrau, saß sie tief im Röhricht,
    Klang ihr Singen mir so süß, schlug ihr Herz voll Leben!
    Er öffnete die Augen und schaute die Hobbits mit einem plötzlich blauen Aufleuchten an:
    Nun! Zum Glücke fiel’s euch aus – wäre nämlich nimmer
    In den Wald zurückgekehrt an die Weidenwinde,
    Denn das Jahr ist alt; so spät wär ich nicht gekommen
    Bis zum Windelpfad hinab, eh’ des Stromes Tochter,
    Kehrt der Frühling erst zurück, froh hinuntertänzelt,
    Um im silberhellen Fluss voller Lust zu baden.
    Er verfiel wieder in Schweigen; aber Frodo konnte sich nicht enthalten, ihm noch eine Frage zu stellen: die Frage, an deren Beantwortung ihm am meisten lag. »Erzählt uns, Meister«, sagte er, »vom Weidenmann. Was ist er? Ich habe noch nie von ihm gehört.«
    »Nein, bitte nicht!«, sagten Merry und Pippin wie aus einem Munde und setzten sich plötzlich auf. »Nicht jetzt! Nicht vor dem Morgen.«
    »Das ist richtig«, sagte der alte Mann. »Jetzt ist die Zeit zum Ruhen. Manche Dinge sind nicht gut zu hören, wenn die Welt im Schatten liegt. Schlaft bis zum Morgenlicht, ruht auf dem Kissen! Kümmert euch nicht um nächtliche Geräusche! Fürchtet keine graue Weide!« Und damit nahm er die Lampe herab, blies sie aus, ergriff mit jeder Hand eine Kerze und führte sie aus dem Raum hinaus.
    Ihre Matratzen und Kissen waren weich wie Daunen und die Decken aus weißer Wolle. Kaum hatten sie sich auf den niedrigen Betten ausgestreckt und die leichten Decken über sich gezogen, da schliefen sie schon.
    Mitten in der Nacht lag Frodo in einem Traum ohne Licht. Dann sah er den jungen Mond

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