Der Herr der Tränen: Roman (German Edition)
begleiten, »bleibt hier.«
Manche wirkten enttäuscht.
Jandryn ging voraus, aber nicht durch den Torbogen, sondern zurück auf den Platz; dann steuerte er andere Gebäude an, die zur Burg gehörten.
»Wo ist er?«, fragte Yalenna.
»Im Gefängnis von Althala«, antwortete der Hauptmann.
Ich hätte es wissen müssen, dachte sie.
Hier war der Stein nicht so weiß wie andernorts in Althala, und es hing ein bestimmter Geruch in der Luft, nach Schweiß und anderen unangenehmen Ausdünstungen. In den Gängen reihten sich Türen mit Gucklöchern. Manche standen offen und gestatteten den Blick in leere Zellen. Andere sahen aus, als ständen sie nur kurz leer.
Von vorn hörte Yalenna Stimmen, ein herzliches Lachen, das ihre Seele wärmte wie eine Decke. Welcher Wahnsinn auch in die Welt zurückgekehrt war, sie musste ihn nicht allein ertragen. Er war ebenfalls hier.
Als Mergan die Wächter ursprünglich zusammengeholt hatte, kannte Yalenna Braston noch nicht sehr gut. Er hatte die Schule des Fadenwirkens ein- oder zweimal besucht, und sie erinnerte sich, ihm als junges nervöses Ding die Hand geschüttelt zu haben. Später, nachdem man sie zur Priesterin geweiht hatte und sie ebenfalls Herrscherin geworden war, hatten sie ein oder zwei Sendschreiben ausgetauscht und einen höflichen Umgang miteinander gepflegt. Erst bei der gemeinsamen Reise zum Turm des Herrn der Tränen und auf der Jagd nach den verbliebenen Wächtern, die fast ein ganzes Jahrzehnt gedauert hatte, waren sie sich wirklich nähergekommen. Schließlich hatten
sie Aorn vor dem Chaos gerettet, vor allem, nachdem Mergan verschwunden war. Sie beide hatten die vertrauensvolle Unterstützung des anderen gebraucht.
Vielleicht war sie jetzt deshalb ein wenig nervös und fragte sich, ob er sich wohl über ihren Besuch freuen würde. Immerhin hatte sie ihn überzeugt, sich das Leben zu nehmen. Dabei hatte sie sich äußerst hartnäckig und überzeugend gezeigt, obwohl sie selbst ihre Zweifel hegte … die, wie sich nun herausgestellt hatte, durchaus berechtigt gewesen waren, denn ihr Tod hatte das Problem offensichtlich nicht gelöst.
Sie hatte ihn für nichts dazu gebracht, sich umzubringen.
Als sie um eine Ecke bog, stand er vor ihr. Er hatte ausreichend Muskeln für zwei Männer, und seine breite Brust füllte sein Hemd prall aus. Die Männer seines Gefolges überragte er um mindestens einen Kopf. Jedes Haar seines goldenen Bartes befand sich am richtigen Platz, und seine goldenen Augen funkelten fröhlich, als er gerade seine Audienz mit einer Geschichte oder einem Scherz würzte. Doch als sein Blick auf sie fiel, war sie sicher, dass niemand das Ende hören würde.
»Yalenna!«, rief er und strahlte dabei so, dass sie ihre Sorgen sofort vergaß und ihn anlächelte. Er wusste nichts von ihrer Zurückhaltung und eilte auf sie zu, wobei er in dem engen Raum aufpassen musste, dass er niemanden anrempelte. Dann packte er sie unter den Armen, und sie lachte, während er sie hochhob und herumwirbelte.
»Braston«, kicherte sie, nachdem er sie abgesetzt hatte, »das hast du noch nie getan!«
»Ich bin so froh, dich zu sehen!«, erwiderte er glücklich. »Bei der Großen Magie, wenn du nicht hier wärest, wüsste ich nicht, was ich tun sollte.«
»Für mich sieht es aus, als wüsstest du genau, was du tust.«
»Ach, das …« Er sah zu den Wachen, Kerkermeistern und Adligen, die ihn begleiteten und nun sie gebannt beobachteten. Eine der Wachen hielt einen Gefangenen, der verängstigt wirkte, an den Handschellen fest.
»Ich spreche nur ein wenig Recht«, sagte Braston. »Du glaubst nicht, in welchem Zustand dieser Ort ist!«
Für Yalenna sah das Gefängnis sauberer und freundlicher aus als jedes, das sie in anderen Städten gesehen hatte, aber sie verkniff sich eine Bemerkung.
»Wie ich höre, rufst du ein Heer zusammen«, sagte sie stattdessen, wenn auch schärfer als beabsichtigt.
Braston grunzte und senkte die Stimme. »Bestimmt weißt du, dass wir nicht die einzigen Wächter sind, die zurückkehrten. Die Diebin ist auch da, denn Silberstein ist spurlos verschwunden. Ich habe auch von seltsamen Vorgängen in den Sonnenhügeln gehört, hinter denen offensichtlich Despirrow steckt. Und wenn die beiden und wir zwei zurück sind, sehe ich keine Veranlassung zu hoffen, die Übrigen wären nicht hier. Im Augenblick ist Karrak vermutlich bei Forger und stellt ein eigenes Heer auf. Ohne Zweifel werden wir bald von ihnen hören, und ich möchte keine Zeit
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