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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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vielleicht bemerkt hast, habe ich genug davon. Ist das Milchkraut?«
    »Ja.«
    »Wunderbar. Das ist mir schon vor einiger Zeit ausgegangen.« Er schnüffelte an den blassen Stängeln. »Wie lange trägst du es schon herum?«
    »Einige Tage.«
    »Es ist noch nicht grün geworden«, meinte Borgan beifällig. »Oh, und schwarze Kresse, ja, und … nein, Halia brauche ich nicht.«
    Rostigan schwieg, während der Mann sich die Kräuter anschaute und die einzelnen Bunde von einer Seite auf die andere schob.
    »So«, sagte er schließlich. »Vermutlich willst du nicht tauschen, oder?«
    »Hast du Vorräte oder Waffen?«
    »Ich habe einen Blitztrank oder zwei, die gut sind, um den Gegner zu blenden …«
    »Ich habe eher an Waffen mit scharfen Klingen gedacht.«
    »Hm.« Borgan versuchte sich zu erinnern, ob er draußen einen Stapel Schwerter hatte. »Leider nicht.«
    »Ich fürchte, dann nehme ich nur Geld.«
    Borgan räusperte sich. »Gut. Schauen wir mal …« Er nahm die Bunde, die er ausgewählt hatte, zur Seite, holte Papier und Feder hervor und begann zu rechnen. »Ich gebe dir, sagen wir, zwei Silberstücke für jeden Bund, vier für das Milchkraut …« Er sah Rostigan fragend an, ob er einverstanden war, und der nickte. »Augenblick«, sagte Borgan und verschwand hinter seinem Vorhang.
    Er kam mit einem Stoffbeutel wieder heraus und begann die Silberstücke abzuzählen. Es war nicht so viel, wie Tarzi wollte, doch es musste genügen. Die »Soldaten« konnten hartes Brot essen, wenn sie schon nicht selbst bezahlen mussten. Sobald sie Althala erreichten, wäre es Brastons Pflicht, sie anständig zu ernähren.
    Als Borgan die letzte Münze auf den Tresen legte, platzte eine der Fensterscheiben. Glas splitterte. Man hörte ein Pfeifen, und dann schrie Borgan auf. Er fasste sich mit der Hand an die Brust, in der ein dünner Metallsplitter steckte.
    »Wind und Feuer!« Zuckend zog Borgan den Splitter heraus – er war so lang wie eine Nadel und nur am Ende ein wenig mit Blut benetzt. »Was ist das?«
    »Etwas vom Fenster?«, fragte Rostigan unschuldig.
    Borgan kam hinter der Theke hervor und ging zur Tür. Draußen auf der Straße war niemand.
    »Als hätte ich nicht schon genug Probleme mit ungezogenen Kindern, die mir die Fenster einwerfen!« Er drehte den Splitter und betrachtete ihn eingehend, wobei seine Hand ein wenig zitterte. »Aber das sieht nicht aus, als würde es von meinem Haus stammen.«
    Rostigan zuckte mit den Schultern.
    »Nun«, sagte Borgan, »der Bürgermeister wird davon erfahren!«
    Rostigan strich sein Geld ein und ließ sich aus dem Laden führen.
    Was für ein Spiel treibst du, Salarkis?, fragte er sich.
    Er saß auf der Veranda des Gasthauses und rauchte seine Pfeife. Es war ein friedlicher Flecken hier am Ende der Hauptstraße und am Rande des Dorfes. Als die Sonne unterging, überfiel ihn eine gewisse Schwermut. Es gab so viel zu tun, und doch wollte er nur hier sitzen. Und als er die Augen schloss, sah er vor sich die weißen Mauern von Althala.
    Tarzi, Cedris und einige andere gingen an ihm vorbei ins Gasthaus. Er nickte Tarzi zu, und sie ließ sich neben ihm nieder.
    »Wie ist es gelaufen?«, erkundigte er sich.
    »Der Bürgermeister wartet auf die Rückkehr eines Reiters, der unseren Bericht bestätigen soll«, antwortete sie. »So etwas Seltsames – wer würde denn Figuren von Salarkis aufstellen?«
    Rostigan zuckte nur langsam mit den Schultern.
    »Kommst du nicht mit hinein?«
    »Nein, kleine Drossel. Ich bleibe an der frischen Luft.«
    Sie senkte die Stimme. »Hast du Lockenzahn verkauft?«
    »Nur ein paar andere Kräuter. Der Händler hier konnte sich solche Schätze nicht leisten.«
    »Bist du sicher? Vielleicht hatte er im Garten eine Schatulle mit Gold vergraben, die ihm seine alte Großmutter hinterlassen hat.«
    »Du hast so eine wundervolle Einbildungskraft. Vielleicht solltest du als Geschichtenerzählerin auftreten.«
    »Rostigan, es ist ernst. Wir müssen so viele Leute wie möglich nach Althala bringen.«
    »Warum bist du dafür verantwortlich?«
    »Weil ich Teil der Welt bin! Wenn sie untergeht, wohin soll ich dann? Mit wem soll ich trinken, und für wen soll ich singen? Wer liegt dann in der Nacht bei mir im Bett? Niemand. Nichts! Hast du heute Abend den Himmel gesehen?«
    Sie zeigte auf etwas, das Rostigan eigentlich nicht beachten wollte.
    Am Himmel rings um die untergehende Sonne konnte man dunklere Flecken zwischen dem verwischten Orange und Rot erkennen, wie riesige

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