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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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mit der Waffe hatte Manzinis Widerstand vorerst erlahmen lassen. Aber sein hochrotes Gesicht mahnte weiterhin zur Vorsicht. Der Kommandant musste sich durch die Be-rührung am Arm glücklicherweise des Hilfsangebotes entsonnen 282
    haben, das ihm Nico im Voraus gegeben hatte. Denn nun sagte er:
    »Wenn Sie ohne Widerstand mit uns kommen, Signor Manzini, dann gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, dass Ihre Uhr täglich aufgezogen und bewegt wird.«
    Es sah so aus, als hätte jemand aus dem schweren Körper des ehemaligen Stadtvorstehers Luft abgelassen. Auch das Rot im Gesicht hellte sich merklich auf. Er nickte und ließ sich ohne weitere Gegenwehr abführen.
    Nachdem er aus dem Raum war, trat Nico zu der Säule mit der Glasvitrine. In ihm tobte immer noch der Sturm, den das Wiedersehen mit Laura ausgelöst und den der gerade überstandene Zusammenprall mit dem Mörder seines Vaters weiter angefacht hatte. Beim Anblick der Lebensuhr wurde daraus ein Tornado, der ihn fast von den Füßen fegte. Mit beiden Händen musste er sich an der Säule abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte der Kommandant plötzlich hinter ihm.
    Nico erschrak und schüttelte den Kopf.
    Der Carabiniere deutete auf die Lebensuhr in der Vitrine?
    »Ist sie das?«
    Die Antwort war ein Nicken.
    Der Polizist prüfte die Tür. »Abgeschlossen«, sagte er und nahm seine Pistole am Lauf. Offensichtlich wollte er das Glas mit dem Griff einschlagen. Nico hielt ihn mit einer beschwichtigen-den Geste zurück und schüttelte den Kopf.
    »Haben Sie denn einen Schlüssel, Signor dei Rossi? Sie wissen ja, wir müssen die Uhr sicherstellen.«
    Wieder nickte Nico und legte erneut beide Hände auf die
    Säule. Seine Rechte berührte das Loch, das sonst nur den zweibärtigen Schlüssel an sich heranließ. Sie zitterte. Plötzlich war ein metallisches Klicken zu hören. Der Hüter der Lebensuhr deutete einladend auf die Vitrine.
    Der Kommandant staunte nicht schlecht, als sich der rechtwinklig geknickte Türflügel öffnen ließ. »Wie haben Sie das gemacht?«
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    Nico zuckte die Schultern und wandte sich zum Gehen.
    Als er den breiten Türsturz durchquerte, stand unvermittelt Laura vor ihm.
    Einige Sekunden lang sahen sich beide wortlos an.
    Sein Herz verkrampfte sich zu einem knotigen Klumpen, als er abermals durch Lauras Augen in die Zisterne ihrer Kümmer-nis blickte. Nur ein bitterer Verlust konnte ein Gesicht so sehr zeichnen. Aber wen betrauerte sie da? Ihren verhafteten Vater oder die verlorene Liebe? Ehe er sich über diese Fragen schlüssig werden konnte, begann sie zu sprechen. Mit erschreckend ruhiger Stimme.
    »Ist dein Rachedurst nun gestillt? Du hast alles zerstört. Glaubst du, du wirst jetzt endlich Frieden finden?«

    Er hatte sich an ihr vorbeigedrückt und war aus dem Haus ge-flüchtet. Sein ganzer Körper tat ihm weh, weil er immer noch das heftige Zittern unterdrückte – die Leute würden ihn womöglich für einen Epileptiker halten. Ohne seine Umgebung wirklich wahrzunehmen, stolperte er durch die Altstadt. Und plötzlich stand er vor seinem Geburtshaus.
    Das mit der Stadtmauer verwachsene Gebäude erinnerte ihn an einen alten Baum, der vor langer Zeit aufgehört hatte zu blühen.
    Vom Fenster seiner Mansardenwohnung aus war es ihm oft wie ein versteinerter Riese vorgekommen, der unerwartet zu neuem Leben erwachen konnte. Jetzt hatte er das Gefühl, genau das sei geschehen. Er spürte, wie sich seine Anspannung löste, obwohl das Herz immer noch heftig klopfte.
    Sämtliche Fensterläden waren zugenagelt. Natürlich hatte
    Manzini auch den Anstrich der Fassade nicht erneuert. Die hell-gelbe Farbe war mehr denn je abgeblättert. Was Nico bis zu dieser Minute nicht mehr für möglich gehalten hätte, gelang ihm nun, nachdem er den Dämon seiner Vergangenheit besiegt hatte. Er stieg die zwei Stufen zur Tür empor, legte seine Hand auf die Mesusa und glaubte, obwohl das kaum möglich schien, in der Messingkapsel noch die Erinnerung an seinen Vaters wahrzunehmen.
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    Obwohl ihm irgendwann auf der Strecke der letzten elf Jahre der Glaube an die Wirksamkeit des traditionellen Gebets abhanden gekommen war, murmelte er die vertrauten Worte.
    »Möge Gott mein Hinausgehen und mein Hineingehen behü-
    ten von nun und für immer.«
    Nach einem tiefen Atemzug drückte er die Klinke nieder.
    Jeder hatte ihm gesagt, dass sie verschlossen war.
    Er richtete seinen Sinn auf das grobschlächtige Schloss und

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