Der Herr der Unruhe
bin.«
»Du hast gesessen?« Jetzt war es an Nico, überrascht zu sein.
Der Hüne nickte unwirsch. »Hab einem frechen Großmaul die Visage verbeult. Dass der Bursche ein hohes Tier bei den Sozialisten war, hab ich zu spät erfahren.«
»Du hast einen Politiker vermöbelt?« Nico musste ein lautes Auflachen unterdrücken. »So etwas kriegst auch nur du fertig.
Hat sich Don Massimiliano in deiner Gegenwart über mich ge-
äußert?«
»Er sagte nach seiner Freilassung, dass du ein Verräter bist. Er will dich unter seiner Schuhsohle zertreten wie eine Kakerlake.«
»Wenigstens macht er aus seinem Herzen keine Mördergrube.
Bist du seiner Meinung, Uberto?«
Immer noch wollte es dem Chauffeur nicht recht gelingen,
Nico in die Augen zu sehen. »Nein«, druckste er. »Du bist in Ordnung. Irgendwie mag ich dich, Niklas.«
»Scheint dir ja unheimlich schwer zu fallen, das zuzugeben.«
Der Ober kam an den Tisch und fragte den neuen Gast nach
seinen Wünschen. Als der sich unschlüssig zeigte, verlangte Uberto einfach ein zweites Glas und schenkte Nico von seinem Weißwein ein.
»Mein Lieblingstropfen: Cacchione .«
Der so Eingeladene bedankte sich, erwiderte das Salute seines Gastgebers und trank einen Schluck.
»Muss ich jetzt eigentlich Nico zu dir sagen?«, fragte Uberto.
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»Mir wäre lieber, meine wahre Identität würde noch eine Weile geheim bleiben.«
»Warum?«
»Weil ich glaube, dass in Wirklichkeit unser ehrenwertes Stadtoberhaupt der Verräter ist. Hast du ihn je zu irgendwelchen Lagerhäusern oder Schuppen gefahren, in denen Lebensmittel oder Baumaterialien gehortet werden?«
Uberto antwortete nicht, aber sein Gesicht war ein einziges Ja.
Nico nickte. »Hab ich mir schon gedacht. Mit dem Zeug hat er den Deutschen geholfen, die Gegend schneller unter ihre Kontrolle zu bringen, weil sie nur ihre Waffen mitzubringen brauchten. Mich würde interessieren, ob er dem Feind noch andere Dinge geliefert hat.«
»Verlange bitte nicht von mir, dass ich Don Massimiliano verpfeife.«
»Nein, hab schon verstanden: Wer schweigt, der bleibt. Vermutlich verrät dein Herr und Meister sowieso niemandem etwas von seinen Machenschaften, sondern sperrt alles in seinen neuen Tresor ein.«
»Welchen neuen Tresor?«
Der Schuss ins Blaue war ein Treffer. Nico musste sich beherrschen, um äußerlich ungerührt zu bleiben. »Ich meine natürlich nicht buchstäblich neu, sondern nur wegen der anderen Kombination. Wie ich ihn kenne, war er stinksauer, weil er sich nach dem Verschwinden seiner Dokumente neue Nummern merken
musste.«
Der Fahrer strich sich mit der Oberseite des Zeigefingers erst über die linke, dann über die rechte Seite seines Schnurrbartes und nickte bestätigend. »Don Massimiliano hat ganz schön getobt, nachdem jemand seine Zahlen ausgeplaudert hat. Ich war’s aber nicht.«
»Sag bloß, du kanntest sie?«
»Ach was! Mir sagt er doch so was nicht.«
»Schon klar. Kümmerst du dich jetzt um seine Lebensuhr?«
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»Machst du Witze, Niklas? Nach seiner Freilassung ist er noch misstrauischer als früher. Die Taschenuhr liegt jetzt im Stahlschrank, wenn er sie nicht am Körper trägt.«
»Er nimmt sie mit sich?«, frage Nico erstaunt.
»Nein, nicht wirklich; das Arbeitszimmer verlässt sie nie. Immerhin kümmert er sich jetzt selbst um ihr Wohlergehen.«
»Vielleicht hat er ja inzwischen Nietzsches Zarathustra gelesen:
›Gute Uhrwerke sind sie: Nun sorge man, sie richtig aufzuziehn!‹
Weißt du noch?« Nico lächelte. »Anscheinend hat er ’s endlich kapiert. Wie kommst du übrigens mit deinem neuen Kollegen zurecht, Uberto?«
»Was?«
»Dem Kerl von der Banda Koch.«
»Guido Valletta?« Uberto schnaubte. »Ein gewissenloser Bursche, der gut schießen kann, aber das ist auch schon alles. Von meinem Platz am Lenkrad wird er mich nie vertreiben.«
Nico hielt die Luft an. Ehe sein Gegenüber einen klaren Gedanken fassen konnte, fragte er: »Und die anderen?«
»Taugen alle nicht viel.«
»Ich dachte immer, Polizisten und Geheimdienstler würden
eine gute Ausbildung genießen.«
»Mag sein. Aber entscheidend ist doch, was einer hier hat.«
Uberto deutete auf sein Herz.
Nico nickte ausgiebig. »Da hast du Recht. Du bist Don Massimiliano immer treu geblieben, und nun dankt er es dir so. Dieser Guido, kann man sich wenigstens auf den verlassen?«
Uberto verzog das Gesicht. »Weiß nicht. Ein ganz merkwür-
diger Typ. Hat ’ne Visage, mit der er sogar Donna Genovefa ver-treibt,
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