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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Niklas.«
    Nico stutzte. »Jetzt haben Sie mich schon wieder verwech-
    selt.«
    Auf dem Gesicht des Kammerdieners lag die Andeutung eines wissenden Lächelns. »Ich glaube nicht.«
    Ohne ein weiteres Wort folgte Nico dem Alten ins Haus. Während er Donatello über eine weitere, erheblich längere Treppe hinauf in den zweiten Stock der luxuriösen Privatresidenz folgte, wunderte er sich über den respektvollen Titel, mit dem ihn der Diener angeredet hatte: Don. Wie ein ehrenwerter Herr fühlte er sich nun wirklich nicht. Aber es war nicht das erste Mal, dass ihn jemand so nannte. Auch die Soldatenwitwe in den Pontinischen Sümpfen hatte sich dieser Anrede bedient.
    »Donatello?«
    »Don Niklas?«
    »Bitte nennen Sie mich nicht so. Ich bin nur ein Uhrmacher.«
    »Und der Herr der Unruhe.«
    335
    »Das war einmal – ich kann es wohl nicht länger leugnen. Was haben die Leute eigentlich gesagt, als ich vor drei Jahren so Hals über Kopf verschwand?«
    »Einige glaubten, Don Massimiliano hätte Ihnen gekündigt, weil Sie in Nettunia längst beliebter geworden waren als er. Man meinte, Sie seien nach Deutschland zurückgekehrt.«
    »Österreich.«
    »Ich dachte, das gibt es nicht mehr.«
    »Stimmt auch wieder. Nun ja, diese Version habe ich in letzter Zeit schon öfters gehört. Und was haben die Übrigen gedacht?«
    »Dass der Podestà Sie ermorden ließ.«
    Nico wäre fast gestolpert und musste sich am Geländer festhalten. Diese Fassung seiner Geschichte kannte er noch nicht.
    Donatello eilte zu einer Tür voraus, drehte sich um und sagte:
    »Bitte warten Sie, Don Niklas, bis Sie gerufen werden.«
    Nico nickte. Ein wenig ungeduldig bezog er Stellung vor der hohen Tür. Der Gang, in dem er stand, war mit vermutlich hand-geknüpften Teppichen ausgelegt. An den Wänden hingen Gobelins mit Jagdmotiven. Ob nun der Vatikan, der Palazzo Manzini oder das Forte Sangallo – in noblen Gebäuden fühlte sich der junge Uhrmacher stets unbehaglich. Endlich erklang dumpf von drinnen der angekündigte Ruf.
    »Kommen Sie bitte herein, Signor dei Rossi.«
    Trotz der Aufforderung klopfte Nico zaghaft an die Tür.
    »Treten Sie nur ein!«, ermunterte ihn die Stimme erneut.
    Nico ließ die Tür aufschwingen. Vor sich sah er einen edlen Holzfußboden, dicke Teppiche, barocke Möbel und einen Kamin, in dem ein Feuer brannte. Der Baron war nirgendwo zu sehen.
    Aber dann lud ihn eine Hand zum Näherkommen ein, die ihm
    aus einem mit rot-goldenem Damast bespannten Sessel winkte, welcher, vom Besucher abgewandt, vor dem Kamin stand. Links neben dem schweren Sitzmöbel stand ein rundes Tischchen, auf dem ein aufgeschlagenes Buch und eine Brille lagen.
    Nico umrundete den »Thron«, um dem Baron seine Reverenz
    zu erweisen – und erlitt einen Schock.
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    »Donatello?«
    Der Diener lächelte traurig. »Da steht ein Stuhl. Sie sehen blass aus. Setzen Sie sich, Don Niklas.« Er deutete auf eine Sitzgelegenheit, die so wenig ein Stuhl war wie das Möbel, in dem er selbst thronte. Nico nahm auf der vordersten Kante des rötlich-golden schimmernden Polsters Platz und beäugte sein Gegenüber misstrauisch.
    Donatello hatte sein Frackoberteil gegen einen Zweireiher mit goldenen Knöpfen getauscht, wie ihn die Eigner nobler Jachten zu tragen pflegten. Nico glaubte sich zu entsinnen, dass Don Alberto, der Präsident des Königlich Italienischen Seglerverbands war, früher immer genau so ein Jackett getragen hatte. In seiner Erinnerung war der Baron etwas größer und schlanker als Donatello gewesen, aber irgendwie schaffte es der beleibte Diener, die Ehrfurcht gebietende Erscheinung seines Herrn würdig zu vertreten: Die auf Hochglanz polierten schwarzen Schuhe, der ge-zwirbelte und gewachste Schnurrbart, selbst die strahlende Aura seiner jetzt streng und zugleich gutmütig dreinblickenden grauen Augen passten zu dem Bild eines Palastherrn.
    »Sie fragen sich bestimmt, was diese Maskerade soll?«, sprach Donatello aus, was seinem Gast im Kopf herumging.
    Nico ersparte sich die Antwort. Er wollte nicht unhöflich sein.
    Der Unterkiefer des Dieners zitterte. Er musste sichtlich um seine Fassung kämpfen. »Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, Don Niklas, dass Baron Alberto Fassini Camossi im letzten Oktober im Alter von nur siebenundsechzig Jahren verstorben ist.«
    Nico schloss die Augen. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
    An diesem Abend hatte er dem Mosaik der Wahrheit klare
    Konturen geben wollen. Wie sollte er jetzt noch die

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