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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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    jedenfalls nicht. Vielleicht bin ich ja auch auf dem Holzweg, und der Code ist in etwas anderem verborgen. Das Zitat stammt aus der dritten Strophe des vierten Gesangs. Drei und vier oder vier und drei – ich habe schon nächtelang darüber gebrütet, bin aber …«
    »Nicht so schnell, Nico. Bleiben wir ruhig noch eine Weile beim Fegefeuer. Mir ist da etwas eingefallen …« Der Diener zupfte nachdenklich an der Spitze seines Schnurrbartes.
    Nico beugte sich im Sessel vor. »Und das wäre?«
    »Du hattest die Konferenz erwähnt.«
    »Am 20. Juli 1925.«
    »Genau. Es ging da um die Lebensbedingungen unserer
    Landsleute in Dalmatien. Sie sollten durch eine Konvention in angemessener Weise geregelt werden. Sogar Mussolini hat sich damals wieder einmal hier blicken lassen.«
    »Wieder einmal?«, entfuhr es Nico überrascht. »War er denn oft auf der Festung zu Gast?«
    »Ich weiß nicht, ob ›oft‹ das richtige Wort ist. ›Immer mal wieder‹ wäre vielleicht die treffende Umschreibung. Er hatte hier eine Wohnung.«
    » Hier? Der Duce hatte auf Forte Sangallo gewohnt ?«
    »Ich dachte, das sei allgemein bekannt.«
    »Ich war zu der Zeit erst sechs und habe mit Holzschwertern gespielt.«
    »Richtig! Ich erinnere mich. Und außerdem hattet ihr, du
    und dein Freund, erstaunliche Mägen, in die unsägliche Mengen Limonade und Eclairs passten. Wie auch immer, jedenfalls war Don Massimiliano schon damals ein einflussreicher Mann. Er hat 340
    Mussolini hin und wieder Gesellschaft geleistet. Der Duce ging gerne auf die Jagd oder tuckerte mit dem Motorboot übers Tyrrhenische Meer.«
    »Nicht zu fassen! Aber was hat das mit dem Purgatorio zu tun?«
    Donatello nippte am Port, leckte sich mit der Zungenspitze die Lippen ab und fuhr fort: »Der Baron mochte Mussolini nicht besonders. In seinem Herzen war er ein glühender Anhänger der Monarchie. Aber er respektierte die Entscheidung des Königs, als dieser Mussolini am 31. Oktober 1922 zum Ministerpräsidenten ernannte.«
    »Nach dem Marsch auf Rom.«
    Donatello lächelte. »Ein wenig kennst du dich ja doch in der Geschichte deiner Kindertage aus. Richtig. Mit dem ›Marsch auf Rom‹ hat Mussolini seiner Leidenschaft für alt-römische Vorbilder gefrönt. Lucius Cornelius Sulla war ja im Jahr 88 vor Christus ebenfalls in die Hauptstadt des Imperiums marschiert und hatte sie gewaltsam besetzt. Der Duce verfuhr ähnlich. Vom 27. auf den 28.
    Oktober 1922 rückten Zehntausende bewaffneter Schwarzhemden in einem Sternmarsch auf Rom vor und sammelten sich ungefähr fünfzig Kilometer vor der Stadtgrenze. König Vittorio Emanuele III. war gegen die Verhängung des Ausnahmezustandes, aber einen Bürgerkrieg wollte er noch weniger riskieren. Also machte er den Volksschullehrer aus Predappio zum Regierungschef.«
    »Und drei Jahre später bezieht der Duce eine Wohnung im Forte Sangallo. Wann kam eigentlich Manzini in die Stadt? Ich habe gehört, sein Vater sei ein römischer Steinmetz gewesen.«
    »So sagt man. Ich kam mit dem Baron 1920 hierher, nachdem er sich ins Forte Sangallo verliebt und es gekauft hatte. Don Massimiliano muss in etwa zur gleichen Zeit nach Nettuno gezogen sein. Ich kann mich noch an Donna Esmeralda erinnern, seine erste Gemahlin, eine schöne und sehr beeindruckende Frau. Er selbst und sein ungeschlachter Schatten waren damals nur selten in der Stadt zu sehen, weil …«
    »Ein Schatten ?«
    »Signor Dell’Uomo, sein Chauffeur.«
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    »Ich dachte, Uberto sei erst vier oder fünf Jahre später in Manzinis Dienste getreten.«
    »Vielleicht als Fahrer, aber gekannt haben müssen die beiden sich schon länger.«
    Nico stülpte die Unterlippe vor und nickte bedächtig. »Ich habe dich unterbrochen, Donatello. Du wolltest mir etwas über den Purgatorio erzählen.«
    »Ja, wo war ich stehen geblieben? Ach richtig! Manchmal
    musste ich einspringen, wenn Mussolinis Lakaien gerade nicht zur Stelle waren. Hin und wieder ließ sich der Baron auch dazu erweichen, seine Jacht dem Duce zur Verfügung zu stellen, allerdings nicht, ohne selbst das Kommando an Bord zu führen. Auch dabei war ich gewöhnlich mit von der Partie. Bei einer dieser Gelegenheiten habe ich unfreiwillig eine Unterhaltung zwischen Don Massimiliano und Mussolini mitbekommen.«
    Nico drohte allmählich vom Sessel zu fallen, weil er auf dem Polster immer weiter vorrutschte. »Und worum ging es da?«
    »Um eine geheime Operation namens ›Purgatorio‹.«
    Jetzt glitt Nicos rechter Fuß unter

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