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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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klang nicht wirklich unfreundlich, eher entschuldigend.
    Nico wusste nicht, wie er diese Begrüßung auffassen sollte.
    Er nannte seinen Namen und bat darum, den Baron sprechen zu dürfen.
    »Den Baron?«, tönte es aus dem Guckloch.
    »Ja.«
    »Sie reden von Baron Alberto Fassini Camossi?«
    »Ja, gewiss! So groß wird die Auswahl an erlauchten Herr-
    schaften in diesem Gemäuer doch wohl nicht sein.« Nico glaubte die Blicke sämtlicher Spitzel der Stadt im Nacken zu spüren, und seine Reaktion war dementsprechend ungeduldig.
    Die Augen im Geviert verengten sich. »Sollte ich Sie ken-
    nen?«
    »Es ist eine lange Zeit her, Signor …«
    »Mein Name ist Donatello. Ich bin kein ›Signor‹, nur der Leibdiener des Barons. Ich fürchte, ich kann Sie nicht einlassen.«
    Nico schob sein Gesicht dicht an die Klappe heran und raunte:
    »Hören Sie, Donatello. Ich habe Sie nicht gleich erkannt, weil Ihre Augenbrauen so grau geworden sind. Früher jedenfalls waren Sie nicht so abweisend. Sie haben meinen Freund und mich oft he-reingelassen, wenn der Baron uns erlaubte, von den Zinnen der Burg aus nach Neptunia Ausschau zu halten.«
    Unvermittelt wurden die Augen hinter der Klappe größer.
    »Natürlich! Der Junge von Emanuele dei Rossi, dem armen Uhrmachermeister, Gott hab ihn selig. Das ist wahrlich lange her …
    Aber warten Sie, ich lasse Sie erst mal herein.«
    Nico atmete erleichtert auf. Er wartete, bis Donatello sämtliche Schlösser und Riegel geöffnet hatte, und trat durch das Tor in den Innenhof der Festung. Hinter ihm wurde das Portal rasch 333
    wieder geschlossen. Als sich der Diener ihm wieder zuwandte, wirkte er verlegen.
    »Ich hatte Sie zunächst für den Walzenbändiger gehalten.«
    »Sie meinen Niklas Michel?«
    Donatello nickte. Er stand ein wenig gebeugt unter dem Türsturz und musterte den Besucher mit schwer zu deutender Miene.
    Nico wunderte sich, wie klein der inzwischen wohl über Sechzigjährige war. Der alte Frack saß über dem Bäuchlein auch nicht mehr so locker wie einst. Die Zeit besitzt eben große Macht, sie verwandelt, was dem Bewohner des Augenblicks unveränderlich scheint.
    Sich der weisen Worte seines Meister erinnernd, lächelte der ehemalige Junge dem Mann freundlich zu, der für ihn einmal das Musterbeispiel eines Kammerdieners gewesen war. »Wie kommen Sie gerade auf den Gemeindemechaniker, Donatello?«
    »Heute früh«, antwortete der Diener zögernd, »waren finstere Gesellen hier, die mir einen Steckbrief von dem Deutschen zeigten. Darauf war ein Foto zu sehen und eine Zeichnung von einem Bärtigen, die Ihnen erstaunlich ähnlich sah, Signor dei Rossi.«
    Nico fröstelte. Mit belegter Stimme fragte er: »Ist das der Grund, weshalb Sie mich nicht hereinlassen wollten?«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe hier gewisse …
    Verpflichtungen. Aber ich missbillige durchaus, wie Don Massimiliano von heut auf morgen seinen Doctor Mechanicae fallen gelassen hat. Der junge Mann besitzt in der Stadt viele Bewunderer und Freunde. Auch ich selbst schätze sein selbstloses Wirken für die einfachen Bürger überaus.«
    Das war beruhigend. Nico wagte aufzuatmen. »Könnten Sie

mich jetzt bitte dem Baron melden? Falls er nach dem Grund meines überraschenden Besuches fragt, dann sagen Sie ihm, Signor dei Rossi möchte mit ihm über eine Konferenz sprechen, die im Jahr 1925 hier stattgefunden hat.«
    »Sie meinen, als Mussolini hier war?«
    »Und Massimiliano Manzini. Ich hätte gerne etwas mehr über die Beziehung der beiden zueinander erfahren, sofern es denn 334
    zwischen ihnen überhaupt so etwas gab, das diesen Namen verdient.«
    Der Diener nickte. »Verstehe. Bitte folgen Sie mir, Signor dei Rossi.«
    Mit gezügeltem Elan folgte Nico dem alten Mann, der ohne
    allzu große Eile schlurfend den Hof durchquerte und über eine Freitreppe zum Eingang des großen Palazzo hinaufstieg. Als Donatello die Türklinke des Portals herunterzudrücken versuchte, geriet seine Contenance jedoch ins Wanken.
    » Santa Maria ! Das Ding bringt mich noch um den Verstand!«
    Der gezischten Unmutsäußerung folgte ein um Vergebung heischendes Lächeln. »Das Schloss ist neuerdings störrisch wie ein Esel.«
    »Darf ich?«, fragte der Gast. Donatello machte ihm Platz. Sanft legte Nico die Hand auf die eiserne Klinke, drückte sie nieder, und nach einem geknirschten Widerspruch gab die Tür nach. Mit der Rechten in das nun offene Gebäude weisend, sagte er: »Nach Ihnen, Donatello.«
    »Vielen Dank, Don

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