Der Herr der Unruhe
untersuchen. Wenn sich Ihr Husten als harmlos herausstellt, dann können Sie heute Abend schon wieder Ihren Dienst antreten.«
»Ich soll meinen Posten hier verlassen, ohne …?«
» Basta! Für wie blöd halten Sie mich eigentlich? Natürlich bekommen Sie eine Ablösung. Ich habe bereits den Schützen Luciano Padetti losgeschickt, einen Ihrer Männer. Er wird in spä-
testens einer halben Stunde im Palazzo sein.«
»Habe verstanden, Capitano. Ich werde so lange warten.«
»Das lassen Sie schön bleiben! Haben Sie eine Ahnung, was uns blüht, wenn sich der Verdacht bestätigt und Sie Don Massimiliano oder jemanden aus seiner Familie mit TBC anstecken? Sie 398
fahren sofort! Vermeiden Sie jeden unnötigen Kontakt. Melden Sie sich unverzüglich bei Stabsarzt Doktor Sägemüller. Und jetzt los!«
»Zu Befehl, Capitano.«
Es klickte in der Leitung.
Valletta starrte zornig den Hörer an. Die Order schmeckte ihm nicht. Wenn er diesen Capitano Semperboni wenigstens gekannt hätte, aber so … Andererseits hatte er die Parole gewusst. Der Korporal drückte die Gabel, ließ sie wieder los und wählte die Nummer der Kommandantur. Er lauschte dem Tuten im Hörer.
»Pronto!«
»Capitano Semperboni?«
»Wer denn sonst? Sind Sie immer noch nicht auf dem Weg,
Valletta?«
»Aber Sie haben doch selbst gesagt, ich soll mich vergewis-sern …«
»Ja, ja, schon gut, Korporal. Jetzt haben Sie Ihre Bestätigung.
Und nun schnappen Sie sich Ihr Motorrad und fahren Sie endlich zum Arzt.«
»Zu Befehl, Capitano.« Valletta legte rasch auf.
Einige Sekunden lang verharrte er bewegungslos vor dem
runden Tischchen, auf dem das Telefon stand. Dann hob er den Hörer erneut ab. Nur einen Anruf noch. Vielleicht war Don Massimiliano schon in den Kommunalpalast zurückgekehrt. Er sollte wissen, was hier vor sich ging. Erneut wählte Valletta eine Nummer und lauschte dem Klingelton. Plötzlich riss das Tuten ab, und die Leitung war tot.
»Verdammt!«, stieß er hervor. »Verdammt, verdammt, ver-
dammt!« Hinter ihm rührte sich etwas. Er hatte die Reflexe eines erfahrenen Kämpfers und fuhr blitzschnell herum. In der Tür stand Donna Laura und sah ihn fragend an.
Er lächelte verlegen. »Sollten Sie meinen Ausbruch gehört haben, so entschuldige ich mich dafür. Das Telefon. Immer wenn man es braucht, gibt es eine Störung.«
Ihr hübsches Gesicht blieb unbewegt. »Das erleben wir doch 399
fast täglich. Ist das ein Grund, sich selbst wie ein Gestörter zu benehmen?«
»Nein, selbstverständlich nicht. Verzeihen Sie bitte, Donna Laura. Ich muss jetzt dringend weg.«
Sie lächelte amüsiert. »Ohne Wachablösung?«
Valletta verzog das Gesicht. »Die ist schon unterwegs. Sie sind nur für kurze Zeit ohne Schutz.«
»Ich muss zugeben, dass ich mich eher sicherer fühle, wenn Sie nicht im Haus sind, Signor Valletta.«
Die Antwort war für ihn wie ein Hieb in die Magengrube.
Warte bis ich zurückkomme!, dachte er. Seine Erwiderung klang wie immer freundlich. »Das werde ich jetzt tun, Donna Laura.
Würden Sie mir bitte die Tür frei machen? Ich will Ihnen nicht zu nahe treten.«
Die Schutzbleche hielten den Schlamm nur unzureichend zurück.
Nico fühlte sich wie eine rasende Moorpackung. Bis Cisterna hatte er nur einmal anhalten müssen. Eine deutsche Patrouille war begierig darauf gewesen, seine Reiseerlaubnis zu sehen.
»Warum du fahren nach Castello?«, erkundigte sich der
Hauptmann in gebrochenem Italienisch.
»Das Röntgengerät von Stabsarzt Doktor Sägemüller hat Hal-luzinationen.«
»Was?«
»Doktor Sägemüller … Maschine … kaputt … ich reparieren«, präzisierte Nico in ebenso bruchstückhaftem Deutsch.
»Na, meinetwegen. Fahren Sie weiter.«
Ohne weitere Zwischenfälle erreichte er die Festung. Die
Castelli Romani waren zu einem Synonym für die Albaner Berge geworden. Ihre strategische Bedeutung hatte sich sogar bis ins Deutsche Reich herumgesprochen.
Die Posten am Tor waren offenbar bereits informiert. Nach einem kurzen Blick in Nicos Papiere brachte ein Gefreiter den Techniker zum Stabsarzt.
Dr. Wilhelm Sägemüller war ein Mann in den Dreißigern mit 400
tiefen Geheimratsecken und einem nicht sehr sauberen Kittel. Er zog den Besucher in einen Raum, der im Mittelalter als Waffen-kammer gedient haben mochte, und schloss hinter sich die Tür.
»Der Späher von Forte Sangallo schickt mich. Sie wissen, wer ich bin?«, fragte Nico auf Deutsch.
Die hellblonden Augenbrauen des Stabsarztes rutschten
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