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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ich an.«
    Guido der Skorpion bejahte die Frage, die eigentlich eher nach einer Feststellung klang. Zumindest stimmte, was der Inspekteur angekündigt hatte.
    »Capitano Semperboni hat Sie mir bereits avisiert.«
    »Da muss ein Irrtum vorliegen, Dottore …« Valletta hatte auf den Arzt zugehen wollen, aber der wich zurück und reckte ihm beide Handflächen entgegen.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich muss mich erst schützen.«
    Der Stabsarzt ging zu einer Ablage, entnahm einer blitz-
    blanken Stahlschatulle einen Mundschutz und legte diesen an.
    Danach dirigierte er den potenziellen Seuchenträger zur Untersuchungsliege und nötigte ihn dazu, den Oberkörper freizumachen.
    Er lauschte mit dem Stethoskop auf Herz- und Atemgeräusche, fühlte den Puls, stellte Fragen.
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    »Husten?«
    »Ich rauche ziemlich stark.«
    »Also ja. Wie oft?«
    Die Antwort ging in einem Husten unter.
    »Danke, das genügt.«
    »Leichte Ermüdbarkeit? Erschöpfungszustände?«
    »Mein Dienst ist ziemlich hart, Dottore …«
    »Verstehe. Appetitlosigkeit?«
    »Eigentlich nicht … Na ja, manchmal vielleicht.«
    »So, so. Verdauungsprobleme?«
    »Hin und wieder kann ich ein paar Tage lang nicht … Sie wissen schon.«
    »Was?«
    Valletta schrumpelte auf der Liege vor Schreck regelrecht zusammen. »Ist das schlimm?«
    »Ich muss es auf jeden Fall in meine Diagnose mit einbeziehen. Wir werden jetzt ein hübsches Foto machen.«
    »Wozu?«
    »Von Ihrer Lunge. Ein Röntgenbild.«
    »Muss das sein?«
    »Nein, ich kann Sie auch gleich unter Quarantäne stellen.«
    Valletta seufzte. »Also meinetwegen. Aber machen Sie schnell, Dottore, ich muss zurück auf meinen Posten.«
    »Junger Mann, ich bin Arzt, kein Jagdflieger. Kommen Sie.«
    Valletta musste seine Brust gegen eine eiskalte Scheibe drücken und sein Kinn auf eine Metallschiene legen. Je mehr er sich be-mühte, nicht zu husten, desto stärker wurde der Reiz. Aus einem Nebenraum erklang leises Gesumme. Wenn der Stabsarzt glaubte, ihn mit einem Kinderlied beruhigen zu können, dann hatte er sich verrechnet. Die Melodie aus dem benachbarten Gewölbe verstummte. Nun kamen unmissverständliche Anweisungen.
    »Einatmen …. Luft anhalten …. Jetzt nicht bewegen.«
    Die Maschine erzeugte ein beängstigendes Geräusch. Gleich darauf wurde das Ganze noch einmal wiederholt. Valletta hörte nebenan eine Tür ins Schloss fallen. Er dachte schon, der Arzt 404
    wollte ihn am Röntgenapparat erfrieren lassen, aber plötzlich stand Sägemüller in der Tür des Strahlenraumes und lächelte.
    »Warten Sie draußen ein paar Minuten, oder wenn Sie Lust
    haben, sehen Sie mir beim Entwickeln der Bilder zu – vorausgesetzt, Sie halten Abstand.«
    Es war weniger das Interesse an der Medizintechnik, das den Banda-Koch-Korporal die zweite Option wählen ließ, als vielmehr ein latentes Misstrauen, das ihn bereits seit dem Anruf dieses Capitano Semperboni beschlichen hatte. Gespannt beobachtete er den Arzt beim routinierten Umgang mit den Chemikalien. Zuletzt badete der Film in einer klaren Flüssigkeit. Schon im roten Licht der Dunkelkammer konnte Valletta das vergitterte Innere seines Brustkorbes sehen.
    Endlich klemmten die beiden Aufnahmen in einer Schiene
    vor einer Milchglasschreibe, die von hinten angeleuchtet wurde.
    Doktor Sägemüller betrachtete abwechselnd mal das eine, dann das andere Bild und war dabei unangenehm still.
    Schließlich hielt es Valletta nicht länger aus. »Können Sie irgendetwas Besonderes darauf erkennen, Dottore?«
    Der Arzt deutete mit einem Bleistift in den oberen Bildrand.
    »Sehen Sie diese hellen Flecken hier?«
    Vallettas Herz begann wie wild zu pochen. Er nickte und hüstelte verhalten in die Hand.
    Der provisorische Zeigestock wanderte etwas tiefer. »Und was sehen Sie da?«
    Guido der Skorpion fühlte sich wie eine gewöhnliche Stuben-fliege. »Sieht aus wie ein Netz. Wie ein verfilztes weißes Spinnen-netz.«
    Der Arzt nahm den Blick von dem Röntgenbild und sah ihn
    mit versteinerter Miene an. »Ich muss Sie bitten, nebenan zu warten, Signor Valletta, bis ein Sanitäter Sie in die Quarantänestation begleitet.«

    Der Geruch von Signora Tortora war stechend, auch ohne Mü-
    ckenschutzmittel. Sosehr Nico die ruppige Witwe mochte, war er 405
    doch froh, als er endlich auf ihre Dienste als Katakombenführerin verzichten konnte. Der unterirdische Zugang mündete in den Keller des Palazzo Manzini. Nico hatte einige Mühe, die Tür zu öffnen. Das Schloss traf keine Schuld; es war

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