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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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trieben wie Nebelschleier an ihm vorbei. Es hörte sich nach Ubertos Lachen und Violas Kichern an – Viola war das Küchenmädchen. Auf Zehenspitzen huschte Nico zum Aufgang, der in den ersten Stock führte, eilte die Treppen empor und verharrte erst wieder, als er die obere Galerie erreichte.
    Wieder lauschte er. Das letzte Mal, als er in den Palazzo Manzini eingedrungen war, hatte Laura Musik gehört. Für einen Moment glaubte er tatsächlich, den Widerhall eines Rundfunkempfängers zu vernehmen, aber dann wurde ihm klar, dass seine Einbildung ihn narrte. Er wünschte sich so sehr, ihre Stimme zu hören oder nur ein Atmen, den Laut ihrer leichten Schritte, das Rascheln ihrer Kleider …
    Nichts. Die Galerie lag leer und still da. Nur das leise Plätschern des Nieselregens auf dem Mosaik im Lichthof war zu hören.
    Dicht an der Wand entlang schlich er zu Manzinis Arbeitszimmer. Er legte das Ohr an die Tür. Wieder nichts. Von drinnen kam nicht der kleinste Laut, und auch das Schlüsselloch war dunkel wie ein Maulwurfsbau. Nico legte die Hand über das Schloss und bewegte sie leicht hin und her. Er widerstand dem Drang, die kleine Melodie zu summen. Sie war vielleicht hilfreich, aber nicht nötig. Ein leises Scharren erklang. Er drückte die Klinge nieder und öffnete die Tür.
    Lautlos betrat er den Raum. Geruch von kaltem Zigarrenrauch 408
    lag in der Luft. Um von draußen nicht gesehen zu werden, wollte er einen Stofffetzen ins Schlüsselloch der nun wieder geschlossenen Tür stopfen, stellte aber überrascht fest, dass es bereits abge-dichtet war. Was hatte das zu bedeuten? Er vergrößerte ein wenig die Öffnung über dem Strahler und schaltete die Handlampe ein.
    Der gelbe Lichtfinger zuckte nervös durch den großen Raum. Auf den ersten Blick hatte sich nichts verändert, abgesehen von der jetzt unbeleuchteten Glasvitrine. Die Lebensuhr wurde ja im Tresor aufbewahrt, wie Nico von Manzinis Chauffeur erfahren hatte.
    »Nicht mehr lange«, flüsterte er und lief zu der vorderen Säule, in der sich das Geheimversteck befand. Er öffnete die Holzverkleidung und begann sein stilles Zwiegespräch mit dem Kombinationsschloss. Wie vermutet, hatte der Podestà die Zahlen geändert. Nico öffnete den Safe.
    Sein Atem ging flach, als er mit der Lampe in die drei Fächer des Stahlschranks leuchtete. Da lagen Akten, mehrere Bündel Banknoten und die Schatulle aus Ahorn. Vaters Uhr! Das Blut rauschte durch Nicos Ohren, so aufgeregt war er. Er hob am Bauch die Jacke an, um endlich den mitgebrachten Sack hervor-zuziehen, als plötzlich hinter ihm ein Licht anging.
    »Wer bist du?«, fragt aus Richtung des schwachen Schimmers eine tiefe Stimme, in der kleine Kieselsteine zu tanzen schienen.
    Nico fuhr herum.
    Massimiliano Manzini saß, nur von einer Leselampe erhellt, in dem rotledernen Lehnstuhl, den Nico beim Eintreten nicht beachtet hatte. Oder war der »Gouverneur« erst eben …?
    »Rühr dich nicht von der Stelle«, befahl Manzini. In seiner Hand funkelte eine silberne Pistole.
    Nicos Augen richteten sich auf die Waffe. Er bemühte sich, seiner Stimme einen kehligen Klang zu geben, als er antwortete:
    »Jemand, der am Inhalt Ihres Geldschrankes interessiert ist.«
    »Runter mit der Maske. Ich will dein Gesicht sehen.«
    Blitzschnell überdachte Nico seine Chancen. Konnte er es
    schaffen, wenigstens die Uhr mitzunehmen? Er musste Zeit gewinnen.
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    »Wie kommt es, dass Sie hier in der Dunkelheit sitzen?«
    »Oh, bis eben habe ich mich noch mit Dantes Rime vergnügt, aber jetzt bist du ja da. Als ich das Geräusch auf dem Gang bemerkte, machte ich das Licht aus. Es sollte eine Überraschung sein.« Manzini grinste.
    Nico maß die Entfernung zum Ausgang. »Die ist Ihnen ge-
    lungen, Don Massimiliano. Schön, dass Sie in diesen unruhigen Zeiten die Muße finden, Dantes Gedichte zu lesen.«
    Nun geschah etwas, das Nicos Pläne mit einem Schlag zu-
    nichte machte. Manzini erhob sich und kam langsam auf ihn zu.
    Äußerlich blieb der Hausherr die Ruhe in Person.
    »Mir hat gerade ein Vögelchen gezwitschert, dass ich für
    die nächsten vierzig Tage wohl auf meinen Schutzengel Guido verzichten muss, aber dafür heute Abend möglicherweise noch anderen Besuch bekommen werde.«
    Daher das verstopfte Schlüsselloch! Langsam wurde Nico alles klar.
    Manzinis säuselnde Freundlichkeit verwandelte sich unversehens in einen kalten Befehlston. »Und jetzt wollen wir allmählich mit diesem Spielchen aufhören. Zieh endlich diese

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