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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Mussolini und seine Veteranenfreunde die Fasci di Combattimento gegründet haben? Mir wurde das Rutenbündel der Faschisten sozusagen in die Wiege gelegt.«
    »Witzbold«, schnaubte Bruno. »Vielleicht liest man, wo du herkommst, ja keine Zeitungen, sonst wüsstest du, dass Mussolini im letztem Jahr die Entfernung aller Juden aus öffentlichen Ämtern und dem Militär verfügt hat. Der Duce hat sich von Hitlers Antisemitismus anstecken lassen.«
    »Ich weiß, Bruno. Mir ist diese Sache bestens bekannt. Vor gerade zehn Tagen habe ich mit eigenen Augen ansehen müssen, wie das Leben zahlloser Juden buchstäblich in einen Scherben-70
    haufen verwandelt wurde. Hitlers Handlanger nannten das Pogrom zynischerweise ›Reichskristallnacht‹ – weil die Überreste der zertrümmerten Fensterscheiben so schön glitzerten.«
    Das überschäumende Gemüt des jungen Fremdenführers
    kühlte augenblicklich ab. Betreten sah er zu Boden. »Ich hätte dir sowieso nicht abgenommen, dass du etwas für braune oder schwarze Hemden übrig hast. Die stehen uns beide nicht.«
    Nicos Blick wanderte wieder auf das Meer hinaus. Vor seinem geistigen Auge erschien ein von schwarzen Locken umrahmtes blasses Gesicht.
    »Woran denkst du?«, fragte Bruno.
    »Nichts weiter.«
    Seine Stimme bekam einen spöttischen Klang. »Das kannst du einem anderen erzählen, aber nicht deinem besten Freund.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du …«
    »Sie hat dir den Kopf verdreht, stimmt’s?«
    »Wer?«
    »Na wer wohl? Donna Laura natürlich, das hübscheste Mäd-
    chen der Stadt. Und wohl auch das reichste. Schlag sie dir aus dem Kopf.«
    »Du meinst, weil so jemand wie ich nie ein Mädchen haben
    wird, das einen eigenen Chauffeur herumkommandieren kann?«
    »Nein. Ich meine, weil es für einen Mann, der einen Rachefeld-zug gegen den Stadtvorsteher plant, tödlich enden könnte, sich in Don Massimilianos Tochter zu verlieben.«

    Der Dezember schickte sich an, die nasskalten Novembertage noch an Scheußlichkeit zu übertrumpfen. Bruno Sacchis Einzimmer-wohnung über der Stadtmauer besaß nur einen Herd, der mit Holz, manchmal mit Kohlen befeuert wurde und keine sehr gute Hei-zung abgab. Wenn der Westwind vom Meer her gegen das Fenster drückte – mithin so gut wie immer –, zog es in der Kammer wie in einem Kamin. Brunos Logiergast war strenge Winter gewohnt, weshalb er derlei Unbilden mit stoischer Gelassenheit hinnahm.
    Was ihn beschäftigte, hatte nichts mit dem Wetter zu tun.
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    Wie kam man an den Podestà heran? Das war die zentrale
    Frage. Erst mit Unterstützung seines Freundes, dann auf eigene Faust hatte Nico in den letzten Tagen einige Erkundigungen über den Stadtvorsteher von Nettuno eingezogen. Manzini sei ein glü-
    henderer Faschist denn je, hieß es allenthalben. Zumindest gab Don Massimiliano vor, der treueste Parteigänger des Duce zu sein.
    In Wirklichkeit lag ihm nicht mehr oder weniger an Mussolini als an irgendjemandem sonst. Es ging ihm nur darum, die Menschen auszubeuten.
    Abgesehen von der Tatsache, dass Manzini nun ein offizielles Amt bekleidete, war dies für den Sohn des ermordeten Uhrmachers nichts, was er nicht schon seit Jahren wusste. Mehr interessierte ihn das Umfeld, in dem sich der Vorsteher bewegte. Wenn man die Gewohnheiten eines Menschen kennt, dann wird er
    berechenbar. Und genau darum ging es Nico. Tagelang streifte er durch die Stadt und plauderte mit jedem, der dazu aufgelegt war.
    Schnell wurde er sehr geschickt darin, das Gespräch wie zufällig auf den Podestà zu lenken. So verschaffte er sich ein umfassendes Bild von den Ereignissen der zurückliegenden sechs Jahre und der Stimmung in der Bevölkerung im Allgemeinen sowie von Manzinis »Regierungsstil«, seinen Leistungen und seinen Machenschaften im Besonderen.
    Im Nordosten von Nettunos Altstadt gab es ein kleines Areal, das Nico wie eine Todeszone mied. Sein Geburtshaus, das dem Vater zum Schlachthaus geworden war, lag im Zentrum dieses emotionalen Minenfelds. Weil es an sehr exponierter Stelle stand, streifte Nicos Blick es manchmal aus der Ferne. Dann begann sein Herz jedes Mal heftig zu schlagen, und er bekam feuchte Hände.
    In den darauf folgenden Nächten plagten ihn häufig Albträume, in denen er wieder und wieder hörte, wie der Kopf seines Vaters von Don Massimiliano auf den Boden geschmettert wurde, ein zum ohrenbetäubenden Hämmern anschwellendes Geräusch.
    Selbst wenn er schweißgebadet erwachte, glaubte er noch ein Echo davon zu

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