Der Herr der Unruhe
gefällt meinem Auswanderer vielleicht. Der Streifen ist von Willi Forst und heißt Bel ami.
Olga Tschechowa und Ilse Werner spielen mit.«
»Klingt interessant.«
Sie stieß ihm in die Rippen. »Nein, tut es nicht. Ich durch-schaue dich, du Lügner. Aber wenn du mit mir nach Anzio fährst, würde ich mich trotzdem freuen. Ich kenne den Filmvorführer.«
»Ach! Woher?«
»Er ist der Stiefvater meiner Halbschwester.«
Nico unterdrückte ein Lachen. »Die Frage hätte ich mir sparen können.« Für diese Bemerkung bekam er einen weiteren Stich in die Seite.
Das Paar traf sich in der Abenddämmerung an der Auffahrt zur Villa Borghese, weit genug entfernt vom Palazzo Manzini, um nicht von Uberto oder einem der anderen Hausangestellten gesehen zu werden. Laura kam mit dem Fahrrad. Ihr weit schwingendes rotes Kleid und ein Haarreif im selben Farbton bildeten einen atemberaubenden Kontrast zu ihren langen schwarzen
Locken. So elegant sie sich oft zu kleiden wusste, erinnerte sie an diesem Abend mit ihren weißen Söckchen in den schwarzen Lackschuhen eher an ein Mädchen beim Sonntagsausflug. Sie ließ ihr Fahrrad an einem Baum stehen, hängte sich ihren schwarzen Cardigan sowie die Handtasche über den Unterarm und lief verschmitzt lächelnd zu dem sehr aufgeregten jungen Mann, der sie neben seinem weißen Motorrad erwartete.
Auch Nico hatte sich in Staat geworfen. Er trug eine graue Hose, ein kurzärmeliges weißes Hemd und darüber ein schwarzes Jackett, alles eigenhändig mit dem Bügeleisen geglättet. Nur seine Stirn lag in Falten. »Was hast du deinem Vater gesagt?«, begrüßte er Laura.
»Nichts. Er arbeitet noch.«
»Aber er wird doch nach dir fragen.«
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»Da bin ich mir nicht so sicher. Seit meine Mutter in diesem Schweizer Sanatorium ist, hat er höchstens dreimal ihren Namen fallen lassen. Vielleicht bin ich ihm auch egal.«
»Den Eindruck habe ich aber nicht.«
»Uberto weiß, dass ich bei Freunden bin. Fahren wir?«
»Ist ja schon gut. Ich will nur nicht, dass du meinetwegen Schwierigkeiten bekommst. Setz dich hinter mich.«
Er bestieg seinen getreuen Albino. Laura nahm hinter ihm
Platz. Als ihre Hände sich um seinen Leib schlangen, schien in seinem Herzen eine größere Anzahl Böller zu explodieren.
»Gut so?«, fragte sie. Ihre Wange lehnte an seinem Rücken.
»Ja«, antwortete er mit belegter Stimme. »Bestens.«
Ohne allzu viel Eile lenkte er das Motorrad in jenen Stadtteil des zukünftigen Nettunia, der sich nur noch wenige Tage lang Anzio nennen durfte. Das Kino lag unweit der Piazza Pia, dem von einer Kathedrale und prächtigen Palazzi geschmückten Herzen der Stadt.
Es war ein lauer Spätsommerabend. Von überall her drang das weiche Licht von Cafés und kleinen Bars ins Freie und täuschte über die wirtschaftlich schwierige Lage der Bevölkerung hinweg.
Es gab immer noch Leute, die sich einen Espresso oder einen Ama-retto leisten konnten.
Nachdem Nico das Motorrad abgestellt hatte, nahm Laura
seine Hand. Er hätte schwören können, in seinem Körper ein paar weitere Explosionen wahrzunehmen.
»Das Programm beginnt erst um acht«, sagte sie. »Lass uns noch ein bisschen durch die Stadt schlendern.«
»Du bist die Tochter des Podestà. Wenn mich jemand mit dir Händchen halten sieht, bin ich geliefert.«
»Meinst du, mein Vater wird pfleglicher mit dir umgehen,
wenn wir nur nebeneinander spazierend gesehen werden?«
Seine Finger schlossen sich fester um ihre Hand, und er lä-
chelte, wenn auch noch ein wenig unsicher. »So groß wird der Unterschied nicht sein.«
Rechtzeitig vor Programmbeginn erreichten sie das Kino.
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Laura war hier offenbar keine Fremde. Die Kassiererin begrüßte sie wie eine alte Bekannte. Ennio sei im Vorführraum. Sie winkte das Paar vorbei.
Ennio Cardelli sah nicht nur aus wie ein raubeiniger Seebär; er war tatsächlich Fischer gewesen, bevor ihn ein Unfall ans Fest-land verbannt hatte. Seitdem führte er Filme vor. Der gedrungene Mann hatte einen Stoppelbart, lichtes grau meliertes Haar, eine großporige Knollennase und ein sonniges Gemüt. Seine Begrü-
ßung fiel erstaunlich herzlich aus.
»Laura! Komm her, lass dich drücken.«
Sie küsste ihn auf die linke und danach auf die rechte Wange.
»Wie geht es Francesca?«
»Prächtig! Sie schlägt ganz nach ihrem Vater.«
Die zwei lachten, was bei Nico gewisse Irritationen auslöste.
War es der »Deckhengst« oder der Fischer, dem die Heiterkeit der beiden galt?
»Wen hast du
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