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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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kurz zu. Vermutlich wirkte ich sehr aufgewühlt, denn sie brachte eine Art Entschuldigung vor – nach ihrem Maßstab eine ausdrucksvolle Bekundung von Reue –, die ich jedoch ignorierte. Ich verließ die Box und schickte Zeisig kurzerhand nach Hause. Und obwohl das in dieser Gegend eigentlich zu gefährlich war, schob ich mir ein Fläschchen Koboldatem unter die Nase und atmete den Dunst ein, bis mein Kopf derart von Summen erfüllt war, dass kaum noch Raum für anderes blieb. Ich lehnte mich gegen eine Mauer, bis ich mich stabil genug fühlte, um den langen Heimweg anzutreten.

34
    Ich verkroch mich für ein paar Stunden im Torkelnden Grafen und trank Kaffee mit Zimt, während der Schneesturm die Stadt unter einer dicken weißen Schicht begrub. Am späten Nachmittag rauchte ich einen Joint mit Traumranke und sah zu, wie Adolphus und Zeisig eine Schneeburg bauten, der es meiner Ansicht nach an soliden architektonischen Prinzipien mangelte. Was ich auch bestätigt fand, als ein Teil der Ostmauer einfiel und eine Bresche entstand, durch die der Feind hätte eindringen können.
    Jedenfalls amüsierten sich die beiden. Mir hingegen bereitete es Schwierigkeiten, mich in Festtagsstimmung zu versetzen. Nach meinen Berechnungen gab es mindestens eine Gruppe von Leuten, die versuchte, mich umzubringen, insgesamt möglicherweise sogar drei. Darüber hinaus rückte die Frist, die mir der Alte gesetzt hatte, drohend näher, sodass mir ständig der Satz sieben Tage weniger drei Tage sind vier Tage, sieben weniger drei Tage sind vier Tage, vier Tage, vier Tage im Kopf herumschwirrte.
    Wenn es zum Schlimmsten kam, konnte ich aus der Stadt fliehen. Für Situationen dieser Art hatte ich Vorkehrungen getroffen, indem ich mir in entfernten Gegenden Existenzformen aufgebaut hatte, in die ich schlüpfen konnte, um für immer abzutauchen. Doch mit dem Alten als Gegner konnte ich nicht davon ausgehen, dass das auf Dauer gelingen würde – in Rigus gab es jedenfalls keinen Ort, wo ich sicher war, falls er es darauf anlegte, mich auszuräuchern. Vielleicht musste ich aufs Ganze gehen, meine Dienste den Nestriannern oder den Freien Städten anbieten und sie veranlassen, mich in irgendeine ferne Provinz zu schicken. Ich wusste nach wie vor, wer wie viel Dreck am Stecken hatte, sodass ich hoffen konnte, für jemanden von Interesse zu sein. Aber das hieße, dass ich für Adolphus und Adeline würde Vorsorge treffen müssen – und jetzt auch noch für Zeisig. Ich konnte doch nicht zulassen, dass sie meinetwegen Schwierigkeiten bekamen.
    Befass dich damit, wenn’s so weit ist, befahl ich mir und machte mich von Neuem daran, alles durchzugehen, in der Hoffnung, diesmal auf einen neuen Aspekt zu stoßen. Ich nahm mir die Teile einzeln vor und versuchte zu rekonstruieren, wie Beaconfield vom schwarzmagischen Dilettanten zum Massenmörder geworden war.
    Er erwacht also eines Tages und stellt fest, dass er nicht genug Geld hat, um seinen Schneider zu bezahlen. Daraufhin denkt er darüber nach, wie sich da Abhilfe schaffen lässt. Wahrscheinlich war Brightfellow nicht seine erste Wahl, wahrscheinlich gab es zunächst ein paar Fehlstarts. Irgendwann lernt er den Zauberer kennen, und die beiden kommen ins Gespräch. Brightfellow war nicht immer ein Scharlatan, der die Oberschicht mit seinen Tricks unterhielt, sondern ein echter Magier. Möglicherweise kennt er also einen Ausweg, vorausgesetzt, der Herzog ist nicht zu zimperlich, was die Mittel angeht. Das ist der Herzog nicht. Für die Ermordung von Tara heuern sie einen Kirener an, einen Bekannten von Brightfellow, doch der Mann versaut die Sache, und sie müssen den Kirener töten, bevor man ihnen durch ihn auf die Schliche kommt. Sie legen die Operation für ein paar Monate auf Eis, um sie dann von Neuem anzugehen – keine Freischaffenden mehr, alle Entführungen sind intern über die Bühne zu bringen. Erst verschwindet Caristiona, dann Avraham, um geopfert und anschließend an einem neutralen Ort abgeladen zu werden.
    Das war dürftig, verdammt dürftig. Ich hatte Motiv und Mittel, aber mehr auch nicht. Was verband die Kinder miteinander? Warum waren die letzten zwei mit der Seuche infiziert worden? Zu viele Fragen, kaum konkrete Beweise. Brightfellows Name auf einem Stück Papier, das mir bei meinem Bad im Kanal abhandengekommen war. Ein paar Drohungen während eines Gesprächs, von dem der Herzog behaupten würde, dass es nie stattgefunden hatte. Ich wusste, dass Beaconfield schuldig war,

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