Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
aber ein bloßer Verdacht würde dem Alten nicht reichen, und es würde mir nichts nützen, etwas gegen den Herzog zu unternehmen, solange das Schwarze Haus nicht hinter mir stand.
Jetzt wünschte ich, ich hätte bei unserem letzten Gespräch versucht, mehr aus der Lächelnden Klinge herauszubekommen, statt es dazu zu benutzen, Punkte zu machen. Deshalb hat mich der Alte oft zusammengeschissen, als ich damals noch unter ihm diente – weil ich meine Wut nicht zu zügeln vermochte. Er sagte, ich würde nie so gut werden wie er, weil ich mir meinen Hass anmerken ließ. Er ist zwar ein krankes Arschloch, aber vermutlich hatte er recht.
Ich musste mit Guiscard sprechen, musste Afonso Cadamost ausfindig machen, musste herausfinden, womit ich konfrontiert war. Die Männer, die mir Beaconfield auf den Hals hetzen konnte, bereiteten mir keine allzu großen Sorgen, aber was war mit Brightfellow und seinem blasphemischen Schoßtier? Konnte er es auf mich loslassen? Wie konnte ich mich gegen das Monster verteidigen? Und vor allem: Wie zum Teufel sollte ich es töten?
Auf all diese Fragen hätte ich gern eine Antwort gehabt, bevor ich der Lächelnden Klinge offen den Krieg erklärte.
Ich saß vor dem Kamin und las in Elliots Geschichte des dritten isocrotanischen Feldzugs , als ein Botenjunge hereinkam und meinen Namen rief. Ich winkte ihn zu mir, und er übergab mir einen Brief.
»Ist’s schlimm draußen?«, fragte ich.
»Wird immer schlimmer.«
»Das ist meistens so.« Ich warf ihm einen Silberling als Trinkgeld zu – vermutlich würde ich das Geld nicht mehr brauchen, um für meine alten Tage zu sparen. Er schüttelte mir die Hand und kugelte mir vor lauter Dankbarkeit fast den Arm aus.
Der Umschlag bestand aus feinem pinkfarbenem Pergament und trug ein stilisiertes großes »M« auf der Lasche.
Ich fand unser Gespräch so fesselnd, dass ich alles Erforderliche unternommen habe, um Sie wieder zu mir zu locken. Es genügt wohl, wenn ich sage, dass ich weitere Informationen eingeholt habe, die von Interesse für Sie sein könnten. Wollen Sie so gegen elf zu mir kommen?
Ich sehe Ihrer Ankunft mit Ungeduld entgegen.
Mairi
Nachdem ich den Brief noch zweimal gelesen hatte, warf ich ihn in die Flammen und sah zu, wie sich das rosarote Pergament kräuselte und zu Asche zerfiel. Offenbar war Mairi der Ansicht, dass sie mir ihre Mitteilungen nur zu später Stunde machen konnte. Ich widmete mich wieder meiner Lektüre und der Dummheit großer Männer.
Den ganzen Abend lang kamen nur wenige Gäste. Der Schneesturm war so heftig, dass selbst die Leute aus der Nachbarschaft wegblieben. Ich trank das Übliche aus Adolphus’ Zapfhahn, aß etwas, um mir die Zeit zu vertreiben, und versuchte, nicht an Mairis bräunliches Fleisch und ihre dunklen Augen zu denken, was mir nur zum Teil gelang.
Um zehn herum machte ich mich auf, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass der Junge bei Adeline im Hinterzimmer war. Nach zwei Minuten im Eisregen war ich mir sicher, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ich war kein Jüngling mehr, der durch Schnee und Eis latschte, weil ihn der Duft einer Möse lockte. Was immer Mairi mir zu erzählen hatte, konnte bis morgen warten. Trotzdem war ich zu stur, um umzukehren, obwohl das Wetter so scheußlich war, dass ich beschloss, durch Brennock statt am Kanal entlang zu gehen.
Als ich die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, hörte ich sie, was mir nicht schwerfiel, da sie sich keine Mühe gaben, leise zu sein. Vermutlich meinten sie, ihre Anzahl verschaffe ihnen einen ausreichenden Vorteil, obwohl sie, wenn sie mehr Erfahrung gehabt hätten, doch gewusst hätten, dass ein solches Verhalten dem Feind nutzen konnte, so sicher die Sache auch schien.
Abgesehen von ihrer kindischen Überschwänglichkeit hatten sie den Hinterhalt ganz professionell in Szene gesetzt. Als ich die zwei hinter mir bemerkte, hatten mich ihre Kameraden bereits von vorn in die Zange genommen. Ein rascher Blick reichte aus, um mir zu verraten, dass ich nicht von einer Straßengang angegriffen wurde – unter ihren dicken schwarzen Umhängen lugten farbenfrohe Cashmerepullover hervor. Jeder von ihnen trug eine Kapuze und eine schwarze Halbmaske, die jeweils die untere Hälfte des Gesichts bedeckte und den Kopf eines wilden Tiers darstellte.
Ich hatte schlecht aufgepasst, da ich annahm, das Wetter und die späte Stunde würden ausreichend Schutz bieten. Ob die Einladung wohl gefälscht war und vom Herzog stammte, der
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