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Der Herr der Welt

Der Herr der Welt

Titel: Der Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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aussuchen. Die Tür öffnet sich, und Miss Steward führt Clinton in mein Behandlungszimmer.
    Ich kenne ihn seit fünf Jahren. Eine im Grunde mitleiderregende, aber nicht sonderlich sympathische Figur. Er hat etwas Lurchhaftes an sich. Laut der Akte ist er erst fünfzig, aber er wirkt zehn Jahre älter. Er bezeichnet sich hochtrabend als Handlungsreisenden, aber in seinem braunen Anzug wirkt er eher wie ein Vertreter der öligsten Sorte.
    Im Laufe der Jahre hat er alle möglichen Krankheiten durchlitten. Diesmal hat er etwas Neues mitgebracht. Ich sehe es bereits, wie er durch die Tür und auf mich zukommt, und es wird klarer, als er mir die Hand reicht.
    Ich sagte es ja schon: Ich kann die Krankheiten meiner Patienten spüren. Ich weiß, ob sie mir etwas vorlügen oder vielleicht sogar von Krankheiten befallen sind, von denen noch nicht mal die Schulmedizin weiß.
    »Nun, raus mit der Sprache, Clinton«, beginne ich unser Gespräch. »Sie sehen nicht gerade aus, als ob Sie die letzte Nacht gut geschlafen haben.«
    Er schaut mich gequält an.
    »Meine Verdauung ...«, beginnt er, und ich nicke wissend.
    »War ja noch nie die beste«, sage ich, »Wir hatten ja schon einige Probleme damit.«
    »So schlimm wie diesmal war es noch nie«, fährt er fort. »Ich war seit einer Woche nicht mehr auf der Toilette.«
    Ich werde wohl in den sauren Apfel beißen und ihn untersuchen müssen.
    »Sie sollen doch viel Gemüse essen«, belehre ich ihn, während er sich entkleidet und auf der mit grünem Kunstleder bespannten Liege Platz nimmt. »Haben Sie das nicht getan? Gemüse sorgt für eine gute Verdauung. Eine ballaststoffreiche Ernährung würde nicht nur Ihrer Figur guttun, sondern auch Ihren Darm schonen.«
    Manchmal kann ich es mir nicht verkneifen, in diesen oberlehrerhaften Ton zu verfallen. Vor allen Dingen nicht, wenn meine Belehrungen auf fruchtbaren Boden fallen. Ich sehe es seiner schuldbewußter Miene an, daß er ein schlechtes Gewissen hat.
    »Diese vielen Geschäftsessen«, murmelt er entschuldigend.
    »Und der Alkohol!« ergänze ich.
    »Na ja, nach einer gelungenen Verkaufspräsentation ist schon mal ein Fläschchen Sekt fällig.« Er windet sich geradezu vor Verlegenheit.
    »Mir brauchen Sie nichts vorzumachen«, sage ich. »Ihre Leberwerte haben ein besorgniserregendes Ausmaß erreicht. Aber was mir nun wirklich Sorgen bereitet, das sind die Divertikel.«
    Er schaut mich entsetzt an, während ich weiter seinen Bauch abtaste.
    »Ziehen Sie bitte mal die Hose runter«, sage ich ernst. »Ich fürchte, es wird jetzt etwas unangenehmer.« Ich streife mir einen Latexhandschuh über und überlege einen Augenblick, ob es wirklich nötig ist, aber ein Blick in sein immer noch entsetztes Gesicht läßt meine Freude, ihn meine Macht spüren zu lassen, nicht geringer werden.
    »Sie meinen, ich habe Krebs!« murmelt er vor Angst.
    »Kein Krebs«, beruhige ich ihn. Er kann mein sardonisches Grinsen dabei nicht sehen. »Stellen Sie sich Ihre Hohlorgane wie einen betagten Fahrradschlauch vor. Wenn Sie den aufpumpen, bläht der Luftdruck die Schwachstellen ballonförmig auf. Genauso verhält es sich mit Ihrem Dickdarm.«
    »Wie schlimm ist es?« stöhnt er. »Sagen Sie mir die Wahrheit!«
    »Die allermeisten Divertikel sind völlig harmlos«, beruhige ich ihn. »Jeder dritte Siebzigjährige ist von ihnen befallen.« Ich kann mir nicht vorstellen, daß er als Vertreter Statistiken zu schätzen weiß. »Aber bei Ihnen«, fahre ich fort, »bei Ihnen bin ich mir da nicht so si-cher .«
    *
    Und so vergeht der Morgen. Hier der Beginn einer schleichenden Vergreisung, dort ein Fall fortgeschrittener Alzheimer. Manchem meiner Patienten schreibe ich eine Überweisung zu einem FacharztKollegen, andere, wie Mrs. Darlton, erfordern meine ganz besondere Behandlung und Fürsorge.
    Meine Tätigkeit gleicht einer Achterbahnfahrt, zwischen Abscheu und Faszination schwankend. Und wie bei einer Achterbahn weiß ich nicht, was mich in der nächsten Kurve erwartet.
    Jedenfalls nicht immer, zum Beispiel, wenn ich wie heute - es ist kurz vor meiner Mittagspause - einen Blick auf das Anmeldungsformular der letzten Patientin werfe.
    Ihr Name, so steht es dort in feiner, feminin säuberlicher Schrift, lautet Laura Gabrini. Das klingt nach italienischer Provenienz, jedoch hat sie als Staatsbürgerschaft die amerikanische angegeben.
    Ich kenne sie nicht. Sie war noch nie zuvor in meiner Behandlung. Eine neue Patientin also, sehr interessant. Eröffnet es

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