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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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durchdacht hatte, hatte er versucht, sich die Karte, die Topitz ihm in Schönberg einmal bei einem Gespräch über ›La Torre‹ gezeigt hatte, in Erinnerung zu rufen. Es war eine reichlich schematische Darstellung der Gegend westlich des Lago Maggiore gewesen, nicht viel größer als eine Sechs-mal-neun-Fotografie, aber immerhin, man konnte Flußläufe, Straßen, einige Orte, vor allem aber die reliefartigen geographischen Erhöhungen erkennen. Und dann hatte Robert daran gedacht, was Kati ihm in ihrem Haus erzählt hatte: daß es sich nämlich bei der Torre-Zone um einen Bergkessel am Monte Zeda handelte, daß die Gegend in Richtung See aber keine weiteren hohen Berge aufwies. Und genauso hatte auch Tennhaff es in Erinnerung: eine Art Hochebene, die an ihrem Ende zum Lago Maggiore abfiel …
    Eine Hochebene. Und darauf würde es Häuser geben, Höfe, Ortschaften und mit Sicherheit Straßen. Und der Hang dort draußen führte direkt nach Osten.
    »Komm, Kati!« sagte Robert.
    Sie setzte die Tasse ab und schnürte die Stiefel zu. Sie funkelte ihn an. »Sag bloß nicht wieder Beeilung. Das hast du jetzt schon dreimal gebracht.«
    »Komm, Kati, Beeilung!«
    Sie konnten die Tür nicht abschließen. Das tat ihm leid. Aber sie sicherten sie, so gut es ging, mit Hilfe von Steinen. Die Tassen waren geputzt, und darin lagen zwei Zwanzigmarkscheine.
    Es war heller geworden, und der Hang eine zerfließende, graue Fläche. Das Pochen in Tennhaffs Nase hatte nachgelassen, und die Kälte sorgte dafür, daß die Schwellung noch weiter zurückging. Nur die Kälte, diese nasse Schneekälte an den Beinen war unangenehm. Egal!
    Sie marschierten los. Es war anstrengend. Doch als die Sonne aufging und eine verschneite Zauberlandschaft beleuchtete, sahen sie Telegrafenmasten, die ihre langen Schatten über eine Straße warfen.
    »Na also, Tennhaff! Hab' ich nicht recht gehabt?«
    Er nickte. Der Himmel war klar und von einem durchsichtigen Grün – aber vor allem frei von Hubschraubern und Motorengeräuschen.
    Oder doch nicht? Aber was da in der Ferne brummte, hatte nichts mit einem Hubschrauber zu tun.
    »Mensch, Tennhaff!« Kati tanzte auf der Straße herum, rutschte, fiel hin, rappelte sich auf, tanzte weiter und kickte Splittsteine vor sich her, die ein Schneeräumer hinterlassen haben mußte, der wohl gerade vorübergekommen war.
    Es war ein Lieferwagen, ein Fiat Ducado mit einer Pritschenkarosserie. Auf der Ladefläche, soviel konnte Tennhaff erkennen, türmten sich Kisten.
    Er riß Kati von der Straße in den Graben hinter eine Schneewächte.
    »Spinnst du, Tennhaff?«
    Er griff in die Innentasche der Jacke. Bisher hatten ihn das Gewicht und der Druck der Tukarew belästigt, jetzt war er froh um sie. Er zog sie heraus.
    »Spinnst du?« schrie Kati wieder.
    Die Entfernung zu dem Lieferwagen betrug noch etwa sechzig Meter. Er näherte sich, aber er fuhr langsamer, zu langsam für Tennhaffs Geschmack. Er kauerte sich im Straßengraben in den Schnee. So wie Ted Roccas Gehirn tickte, mußten sie von der Zentrale Suchkommandos ausgesandt haben, aber diesen Wagen schien nur ein einziger Mann zu steuern … Und die Kisten? Vielleicht hockten die anderen hinten auf der Pritsche, vielleicht waren die Kisten nur Tarnung, nur wieder ein besonders schmutziger Rocca-Trick?
    Der Wagen war herangekommen.
    Tennhaff richtete sich auf. Der Ducado stoppte. Die Fahrerscheibe wurde herabgekurbelt, im Türausschnitt erschien ein freundlich-rundes Bauerngesicht, übersät von Bartstoppeln.
    Tennhaff hielt die Tukarew noch immer in der Hand, als er aufstand und auf den Wagen zuging.
    »Signore? Dio mio!«
    Der Fahrer nahm die Hände vom Steuerrad und hob sie hoch.
    Tennhaff kam sich plötzlich vor wie ein Idiot. Er lächelte, so gut er das mit seiner Nase konnte, und ging noch näher. Der Fahrer wollte nach dem Ganghebel greifen …
    »Momento!« sagte Tennhaff und hob die Pistole. Der Fahrer ließ den Kopf sinken. Es war eine Bewegung von so jämmerlich rührender Ergebenheit, daß Tennhaff die Tukarew endgültig wegsteckte. Und jetzt? Was erklärst du ihm? Wenn du jemanden brauchst, wenn es überhaupt noch eine einzige liebenswerte Person gibt, dann doch der? Was sagst du ihm?
    Er kam nicht dazu. Erklärungen entfielen, wieso Tennhaff mit einer Pistole herumfuchtelte, denn da war schon Kati. Sie hing förmlich am Wagen, schob die Hand rein, berührte, streichelte tatsächlich das Gesicht des Mannes, der hinter dem Steuer saß, und als ob das nicht

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