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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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die Seele des Mannes, dessen Stelle er einnehmen will.«

    Als Garth am nächsten Morgen erwachte, war Maximilian zurück und saß am Fenster im Sonnenschein. Frieden erfüllte sein Antlitz, eine tiefe Ruhe sprach aus seinem Blick. Garth hatte noch nie einen Menschen gesehen, der so völlig mit sich und der Welt im reinen sein mochte.
    Der Manteceros auf seinem Arm hüpfte im Schein der Morgensonne auf und ab, als führe er Freudentänze auf.
    »Wann?« fragte Vorstus und erhob sich von seinem Lager.
    »Bald«, antwortete Maximilian. »Aber für ein Frühstück bleibt noch Zeit.«
    Wieder lehnte der Prinz alle Speisen ab und trank nur einen Schluck klares Wasser. Die anderen aßen rasch und schweigend. Erwartungsvolle Spannung lag über dem Raum, doch Maximilian schien erstaunlich frei von der Erregung, die sich seiner Gefährten bemächtigt hatte. Sogar die sonst so beherrschte Ravenna ließ einen Teller und mehrere Gabeln fallen, wurde knallrot im Gesicht und entschuldigte sich hastig.
    Um den Mund des Prinzen zuckte ein Lächeln, und er beobachtete aufmerksam jede ihrer Bewegungen, aber er sagte nichts.
    Endlich war alles bereit. Garth und Vorstus warfen Erde auf das Feuer und scharrten die letzten glühenden Kohlen auseinander, damit sie erloschen. »Was geschieht jetzt?« fragte Garth leise.
    »Jetzt? Jetzt heißt es warten, mein Junge, denn was der heutige Tag bringt, liegt ganz in Maximilians Hand.« Vorstus wandte sich ab, trat an einen Schrank und holte ein Päckchen heraus.
    Maximilian erhob sich von seinem Hocker, als hätte er ihn gehört. »Es ist soweit«, sagte er bestimmt und schritt aus der Tür.

    »Bevor ein Thronerbe noch richtig laufen kann, bringt man ihm bereits bei, wie er seinen Thron einzufordern hat«, erklärte Vorstus leise. Sie folgten Maximilian über einen abschüssigen Waldweg aus der Schlucht hinaus. »Später wiederholt er den Ablauf so oft, bis er ihm schließlich in Fleisch und Blut übergeht.«
    »Was ist mit dem Gedicht, das mir der Manteceros aufsagte?«
    »Eine Aneinanderreihung von verschlüsselten Merkversen für das Ritual, mein Junge. Jeder Erbe kennt und versteht es.«
    Garth betrachtete verstohlen das Bündel, das der Abt aus der Hütte mitgenommen hatte. Auf einer Seite ragte ein Schwert heraus, doch was sich sonst noch darin befand, blieb verborgen. »Vorstus?« Garth deutete mit dem Kopf auf das Paket.
    Der andere wehrte die stumme Frage achselzuckend ab.
    »Schweigt still, mein Junge. Dies ist ein feierlicher Augenblick, ein Erlebnis, das in Eurem Leben wohl einmalig bleiben dürfte.«
    Maximilian führte sie mit raschen Schritten, aber ohne Hast auf das Herz des Waldes zu. Er trug immer noch die einfachen Kniehosen und ein Paar Stiefel. Garth wunderte sich im stillen, daß er sich für diesen wichtigen Anlaß nicht standesgemäßer gekleidet hatte.
    Sie gingen mehr als drei Stunden. Ob sich der Weg gabelte oder gar ganz verschwand, Maximilian zögerte niemals. Garth sah sich immer wieder nach seinem Vater und Ravenna um, aber die nickten ihm nur zu. Aus ihren Gesichtern sprach die gleiche Sicherheit und Ruhe wie aus dem Antlitz des Prinzen.
    Garth fragte sich schon, ob sich das Ritual womöglich in dieser Wanderung durch den Wald erschöpfe, da blieb Maximilian unvermittelt stehen.

    Er legte den Kopf auf die Seite, und seine blauen Augen strahlten auf. »Hört Ihr es?« fragte er, und zum ersten Mal an diesem Tag spürte Garth eine leise Spannung in der Stimme des Prinzen.
    »Ja«, antwortete Vorstus sanft. »Ich höre es, Maximilian Persimius.«
    Garth lauschte, dann vernahm auch er das leise Tosen hinter den üblichen Geräuschen des Waldes.
    Maximilian wartete die Frage nicht ab, die sich auf Garths Lippen drängte, sondern wandte sich ohne ein weiteres Wort wieder um und ging mit deutlich eiligeren Schritten weiter.
    Die anderen hasteten hinter ihm her.
    Nach einer weiteren halben Stunde standen sie vor einem mächtigen nebelverschleierten Wasserfall, der sich in einen grünen Teich stürzte. Die stilleren Bereiche dieses Gewässers waren mit bunten Seerosen bewachsen, deren dicke, samtige Blätter wie Trittsteine aussahen, und dicht unter der Oberfläche flitzten Fische hin und her.
    Maximilian hatte für all diese Schönheit kein Auge. Er streifte den Wasserfall mit einem flüchtigen Blick, dann wandte er sich an Joseph. »Wollt Ihr mein Zeuge sein?« fragte er knapp.
    »Gewiß, Maximilian Persimius«, antwortete Joseph ohne Zögern.
    Maximilian nickte ihm

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