Der Herr des Traumreichs
ist Maximilian Persimius, Sohn und Erbe des verstorbenen Königs, und hiermit spreche ich ihm das Recht zu, den Thron von Escator zu fordern!«
»Und ich unterstütze die Ernennung!« Garth hatte im letzten Moment doch noch begriffen, welche Rolle er bei diesem Ritual zu spielen hatte. »Ich kenne diesen Mann. Es ist Maximilian Persimius, Sohn und Erbe des verstorbenen Königs, und ich bestätige, daß er das Recht hat, den Thron von Escator zu fordern!«
Maximilian hatte mit gesenktem Kopf zugehört, doch nun blickte er auf. Der helle Schein der Hoffnung lag auf seinen Zügen, und seine Augen brannten wie von einem inneren Feuer. Maximilian mochte in den Adern vieles vergessen haben, doch seine Bestimmung wohnte von jeher tief in seinem Innern.
Etwas zog seinen Blick auf sich, doch es war nicht die Handvoll Menschen, die vor ihm stand.
»So tretet denn ein in die grünschatt’ge Laube, Maximilian«, flüsterte Vorstus heiser vor Rührung, »und fordert, was Euch zusteht.«
Maximilian trat vor, und Ravenna und Garth machten ihm hastig Platz. Ohne sie wahrzunehmen, drängte er sich an ihnen vorbei und setzte den Fuß auf die erste Stufe des Pavillons, der hinter den beiden unter den Bäumen erschienen war.
Garth und Ravenna stockte der Atem. Eben war hier noch nichts gewesen. Eine innere Stimme sagte ihnen, daß Maximilian den Pavillon aus dem Traumreich in diese Welt gerufen haben mußte.
Ravennas Augen folgten dem Prinzen, als er das Bauwerk betrat. Ihre Ehrfurcht und ihre Bewunderung waren ungeheuer gewachsen.
Der Pavillon
Anders als im Traumreich bestand der Pavillon hier aus festem, aber seltsam durchscheinendem weißem Stein. Die hohen Säulen, zwölf an der Zahl, trugen eine smaragdgrüne Kuppel, die einen dunklen Schatten auf den kreisrunden Boden warf.
Maximilian trat mit ruhigem, sicherem Schritt ein. Genau in der Mitte sank er auf die Knie und senkte den Kopf zum Gebet. In dieser Stellung verharrte er lange.
Endlich richtete er sich auf, holte tief Atem und zog sich den Ring seiner Väter vom Finger. Er faßte ihn so, daß der schwarze Stein nach unten zeigte, beugte sich zum mosaikbelegten Boden hinab und fuhr ohne Zögern die Linien nach, die dort mit durchsichtigen blauen Steinchen vorgezeichnet waren.
Cavor vertrieb sich den Nachmittag im Salon der ›Schönen Damen‹ in Myrna. Obwohl die Soldaten bei der Suche nach Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig keine Fortschritte machten, wirkte der König erstaunlich unbekümmert. Gegen Abend versicherte er Egalion (der geduldig draußen wartete), er werde die Königliche Garde an einen anderen Ort in Marsch setzen – wo sie mit größter Wahrscheinlichkeit fündig würde.
Doch gerade als die jüngste und liebreizendste von Anyas
›Damen‹ ihre schwellenden Lippen seinem Mund näherte, stieß Cavor einen Schrei aus, der ganz und gar nichts mit Liebeslust zu tun hatte, und schob sie unsanft beiseite.
Sein Mal brannte, als stünden die Linien in Flammen.
Maximilian zeichnete langsam, aber ganz vertieft in sein Tun, so lange weiter, bis das Bild vollendet war. Dann atmete er erleichtert auf und trat zurück, ohne den Blick vom Boden zu heben.
Der Boden war mit dunkelgrünen Kacheln gefliest, in die mit etwas dickeren blauen Mosaiksteinchen das gleiche Motiv eingelegt war, das auch auf Maximilians Arm prangte.
Nun begann das Grün zu flimmern, die blauen Linien erzitterten, und Maximilians eigenes Mal brannte wie Feuer.
Er nahm es kaum wahr.
Die blauen Linien wurden lebendig, Stein wurde zu Bein, und bald stand eine plumpe Gestalt im Raum.
Cavor wehrte Anyas besorgte Fragen ab, stolperte auf die Veranda hinaus und packte Egalion an der Schulter. Der überraschte Hauptmann nahm rasch Haltung an.
»Holt mir mein Pferd«, flüsterte der König heiser, »und trommelt Eure verdammten Schwadronen zusammen! Wir reiten in die Königlichen Wälder. Sofort!«
Der Manteceros schüttelte sich mit einem tiefen Seufzer. Der Wechsel aus dem Traumreich hierher war – wie immer – kein reines Vergnügen. In dieser Welt gab es nichts als Ärger und Schwierigkeiten, und diesmal mußte er damit rechnen, in die größte Streitfrage seiner ganzen Geschichte hineingeraten zu sein.
Lange sah er sich mit seinem traurigen Gesicht und den schwermütigen Augen im Pavillon um. Endlich richtete sich sein Blick auf den Mann, der vor ihm stand. »Wer fordert den Thron?« fragte er. »Wer wagt den Traum?«
»Ich«, sagte der Mann ruhig und mit einem
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