Der Herr des Traumreichs
auf den Knien und betete oder meditierte, oder er unterhielt sich leise mit Ravenna, deren Gesellschaft er sehr schätzte.
Cavor tat nichts von alledem; dafür führte er stundenlange vertrauliche Gespräche mit Fennon Furst – der zwei Tage vor ihm und Maximilian zu den Adern aufbrach – oder ließ bei Waffenübungen im Innenhof des Palastes sein Langschwert durch die Luft pfeifen.
Der Manteceros zeigte sich nicht, aber niemand zweifelte daran, daß er erscheinen würde, wenn die Zeit gekommen war.
Vier Tage nach der abgebrochenen Hinrichtung auf dem Geviert machten sich die beiden Männer nach letzten Vorbereitungen (getrennt voneinander) auf den Weg zu den Glomm-Minen. Cavor brach früh am Morgen auf. Ein großer Teil von Escators Soldaten begleitete ihn.
Maximilian verließ Ruen erst gegen Mittag. Seine Eskorte bestand nur aus den Menschen, die fest genug an ihn geglaubt hatten, um ihn aus der Gefangenschaft unter dem Hangenden zu retten. Die Mönche des Persimius-Ordens folgten in bequemen Reisewagen.
Nach ihnen kamen in respektvollem Abstand von etwa zweihundert Schritten die ersten von fast vierzehntausend Bürgern von Ruen und Umgebung. Die Menschen ahnten, daß bei dem Zweikampf in den Adern nicht nur über einen Thron entschieden, sondern auch eine Legende geboren würde, und das wollten sie sich nicht entgehen lassen.
Indessen schufteten weiterhin Tausende von Männern in den Adern. Ihre Körper glänzten vor Schweiß, Glomm und Verzweiflung, und sie ahnten nichts von dem Drama, das in ihrer Mitte zu Ende gehen sollte.
An den Küsten und in den unterirdischen Höhlen und Schächten toste, wachsam und gierig wie ein Raubtier, das Meer… und wartete, wartete, wartete…
Myrna drohte zu bersten. Die Menschen mit ihren lauten Stimmen, die Gerüchte, die leise von Mund zu Mund weitergetragen wurden, erfüllten die trostlose kleine Stadt mit nie gekanntem Leben: Anya und ihre Mädchen sperrten die Tür ihres Hauses zu – wer dachte an Geschäfte, wenn Ereignisse von solcher Tragweite in der Luft lagen? –, rissen die Fenster weit auf, lehnten sich hinaus und beobachteten und kommentierten staunend das Geschehen. Der leichte Wind, der vom Meer hereinkam, fächelte ihre Gesichter wie ein Vorbeistreifen bunter Tücher.
Das Heer schlug sein Lager rings um Myrna und die Adern auf. Dahinter richteten sich die vielen Tausend, die zu Fuß von Ruen gekommen waren, häuslich ein. Zu ihnen gesellten sich Hunderte von Bürgern, die aus dem Norden angereist waren.
Als Cavor mit seinem Gefolge eintraf, quartierte er sich bei Fennon Furst ein; Maximilian zog mit den Baxtors, Ravenna und drei oder vier Mönchen des Persimius-Ordens in das Haus der Heiler. Am zweiten Tag nach der Ankunft handelten Vermittler im Namen beider Parteien die Bedingungen aus, unter denen der Zweikampf stattfinden sollte; am dritten Tag sollten Cavor und Maximilian in die Minen einfahren.
Cavor ließ sich von Egalion den Schwertgurt um die Hüften schnallen und bat ihn dann, draußen auf ihn zu warten. Als der Hauptmann den Raum verließ, überprüfte Cavor umständlich die Riemen seiner leichten Rüstung und rückte den Schwertgurt zurecht. Das beruhigende Gewicht des Langschwerts an seinem linken Bein entlockte ihm ein dünnes Lächeln. Seit nahezu vierzig Jahren übte er mit dieser Waffe, und noch nie war er so gut in Form gewesen wie jetzt; seit Maximilian im Pavillon den Thron gefordert hatte, war das Mal auf seinem Arm vollständig verheilt. Reine Kraft strömte durch seine Adern. Er würde sich als der Stärkere erweisen, auch im erstickenden Gestank der Minen. Sein Lächeln wurde breiter.
Fennon Furst hatte in einer dunklen Ecke gewartet, doch als er das Lächeln sah, trat er vor. »Ihr werdet siegen, Sire.«
Cavors Züge verhärteten sich. »Mit welchen Mitteln auch immer, Furst. Habt Ihr…?«
Furst verneigte sich leicht. »Alles ist bereit, Sire.«
Cavor war beruhigt. »Gut. Dann laßt uns gehen. Wir werden uns diesen Wunschträumer ein für allemal vom Halse schaffen.«
Maximilian bereitete sich ähnlich vor wie auf das Ritual am Teich. Nur Garth war bei ihm. Nach dem Aufstehen verbrachte er eine Stunde im Gebet, dann verzehrte er ein leichtes Frühstück und nahm ein Bad. An Kleidern wählte er nur eine leichte Leinenhose. Sogar auf Schuhe verzichtete er.
Garth beobachtete ihn nicht ohne Besorgnis. »Maximilian, äh, Prinz…« Er wußte noch immer nicht recht, wie er ihn ansprechen sollte.
Maximilian rieb sich Arme
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