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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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Sooft er einnickte, suchten ihn Alpträume heim, und er sah Maximilian, tief unter sich in den Glomm-Minen schuften. Immer wieder hieb er seine Hacke in das klebrig schwarze Flöz, seine Armmuskeln schwollen an und entspannten sich wieder. Gegen Morgen wurde der Schlaf des Jungen fester, aber die Träume gewannen noch an Farbigkeit, und schließlich erwachte er mit einem Aufschrei des Entsetzens. Maximilians Hacke hatte ein letztes Mal in das Glomm gebissen und die Wand durchschlagen, hinter der das grüngläserne Meer lauerte. Das Wasser schoß mit wütendem Brüllen herein, als sei es über diese Zudringlichkeit empört, und Maximilian senkte ergeben den Kopf und ließ sich von den tobenden Fluten verschlingen.
    »Garth!« Joseph, der in der unteren Koje schlief, war sofort auf den Beinen und legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter. »Was hast du?«
    Garth schluckte und zwang sich zu einem Lächeln. »Ein böser Traum. Nichts weiter.«
    »Ein böser Traum?«
    »Ich habe von den Adern geträumt. Das Meer ist wieder durchgebrochen.«
    Garth spürte, wie Josephs Griff sich lockerte. »Kein Wunder, daß dich die Adern auch im Schlaf verfolgen. Auch ich litt in den ersten Jahren hier unter Alpträumen. Garth, der Schrecken hört nie auf, aber du lernst, damit umzugehen.«
    Garth schwieg lange und betrachtete die Decke, die nur eine Armlänge entfernt war. Soeben drang der erste Schein der Morgendämmerung durch das Fenster. Durch den alten Verputz zogen sich Risse und Sprünge wie nach einem Erdbeben.
    »Vater?« fragte er endlich, und Joseph, der gerade wieder in sein Bett kriechen wollte, hielt inne, als er den Tonfall hörte.
    »Vater? Warum ist alles so ungerecht?«
    »Was, Garth?« fragte Joseph leise, obwohl er genau wußte, was sein Sohn meinte. Er hatte sich oft genug die gleiche Frage gestellt.
    »Die Adern. Warum werden die Männer zu einem so grausamen Schicksal verdammt und dürfen nie wieder die Sonne sehen?«

    Jetzt war es Joseph, der schwieg. »Ich verstehe, daß du es grausam findest, ein solches Urteil zu sprechen, aber es gäbe sonst nur die Lösung, die Leute in Gefängnisse zu pferchen, die kaum weniger dunkel und unmenschlich sind als die Glomm-Minen. Glaub mir, wir sind dagegen machtlos.«
    Garth seufzte, und Joseph rüttelte ihn leicht an der Schulter.
    »Komm, mein Junge, wir sind jetzt beide hellwach. Laß uns frühstücken und hinunterfahren, um unser Tagwerk zu beginnen. Wenigstens brauchen wir nur noch heute und morgen hier auszuharren. Dann geht es zurück nach Hause zu Nona. Und in die warme Sonne von Narbon.«
    Garth schwang die Füße über den Rand seiner Koje und sprang zu Boden. »Ja, wir können wieder nach Hause.«
    Joseph hörte die Betonung wohl, aber er ging nicht darauf ein. Garth mußte sich auf seine Weise mit den Adern auseinandersetzen; Joseph konnte wenig mehr tun, als ihn dabei unterstützen.
    Garth sah Maximilian nicht wieder. Der Mann ging ihm nicht aus dem Sinn, aber er fand keine Ausrede mehr, die es ihm gestattet hätte, ihn noch einmal aufzusuchen, außerdem war ihm klar, daß er Maximilian damit nur in Gefahr gebracht hätte. Jack war schon mißtrauisch geworden, als Garth darauf bestanden hatte, nach seinem nicht vorhandenen Nadelhalter zu suchen. Nun wollte der Junge die Aufmerksamkeit des Wärters nicht noch einmal auf diesen Sträfling lenken.
    Aber bald wäre er fort, und Maximilian bliebe in diesem grauenvollen Elend zurück.
    Garth stapfte mit seiner Eskorte von Wärtern durch die dunklen Stollen. Während er den Kopf einzog, um nicht an das Hangende zu stoßen, und sich durch die Engstellen zwängte, legte er ein Gelübde ab. Wenn er im nächsten Jahr wiederkäme, würde er irgendeine Möglichkeit finden, um Maximilian zu befreien.
    Ein Jahr. Ein ganzes Jahr mußte er warten. Würde Maximilian dieses Jahr überleben? Würde er noch hier sein, wenn Garth zurückkehrte? Und angenommen, Garth fände ihn wieder, wie wollte er ihn befreien?
    Was hatte Maximilian nur mit diesen seltsamen Versen gemeint? Den Traum rufen, ihn freisetzen, damit er feststelle, wer der wahre König sei? Wie sollte er diesen mythischen Manteceros überhaupt finden? Fragen über Fragen stürmten auf Garth ein, er grübelte, bis ihn der Kopf schmerzte – und fand doch keine Antwort.
    Nichts ergab einen Sinn, am wenigsten Maximilians Widerstand gegen eine Rettung und seine seltsame Behauptung, der Manteceros werde ihm nicht helfen.
    »Vater?« fragte Garth, als sie am Abend ihres

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