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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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stand auf, doch bevor sie zur Tür hinausgingen, faßte er seinen Vater am Ärmel. »Ich möchte möglichst viel lernen, und das möglichst schnell. Im nächsten Jahr sollen die Gefangenen unter Tage von mir die beste Behandlung bekommen, die es gibt.«
    Joseph wollte schon darauf hinweisen, daß Garth als Schüler nicht verpflichtet sei, in den Minen zu arbeiten, doch als er den Blick seines Sohnes sah, schloß er den Mund langsam wieder und nickte. Er war ernst geworden. »Du lernst ohnehin so schnell, daß ich mit dem Unterricht kaum nachkomme, Garth.
    Wenn du so weitermachst, kannst du deine Lehrzeit zwei Jahre früher abschließen als vorgesehen.«
    »Aber…«
    »Aber«, fuhr Joseph noch entschiedener fort, »du nimmst dir von jetzt an jede Woche zusätzlich einen halben Tag frei. Sieh dich doch an, Garth! So blaß und verhärmt, als hätte man dich zu den Adern verurteilt. Es ist Sommer, und draußen scheint die Sonne, du mußt die Zeit nützen. Ich vergesse manchmal, daß du noch nicht erwachsen bist. Und jetzt schenk deiner Mutter und mir ein Lächeln. Wenn du nicht lernst, die Adern zu verkraften, mußt du die Heilkunst aufgeben.«
    Damit wandte sich Joseph zur Tür, aber Garth hatte noch etwas auf dem Herzen. »Vater, wie lange kann ein Mensch in den Minen überleben?«

    Joseph hatte schon den Türknauf in der Hand, doch er hielt inne, und sein Blick wurde sanft. »Ich kenne niemanden, der es länger als fünf Jahre da unten ausgehalten hätte, Garth, und schon das verlangt außergewöhnlich viel Willenskraft. Du hast selbst gesehen, unter welchen Bedingungen die Sträflinge arbeiten. Wenn sie nicht durch ein Grubenunglück zum Krüppel gemacht werden, fallen sie mit der Zeit dem Glommstaub oder der Pilzseuche zum Opfer.«
    Garth holte tief Luft und sah seinen Vater starr an. Wieso war Maximilian so lange am Leben geblieben? Sein Entschluß, den Prinzen im nächsten Frühling zu retten, festigte sich. Falls er ihn dann noch lebend antraf.
    Er rang sich ein Lächeln ab. »Wenn Mutter uns weiterhin mit ihren Rosinenbrötchen mästet, Vater, passen wir im nächsten Jahr beide nicht mehr durch die Stollen.«
    Joseph lachte, und sie verließen die Behandlungsräume, um sich in der friedlichen Küche unter Nonas heiterem Lächeln zu erholen.
    Den Vormittag des nächsten Tages verbrachte Garth so, wie Joseph es ihm empfohlen hatte. Er trommelte sieben oder acht seiner Freunde zusammen und spielte mit ihnen in den Gassen hinter dem Marktplatz von Narbon eine flotte Reifenball-Partie, anschließend veranstalteten sie ein Wettrennen zum Hafen, um sich den koroleanischen Frachter anzusehen, der dort seit neuestem vor Anker lag.
    Die warme Sonne und die Gesellschaft seiner Freunde brachten Garth auf andere Gedanken und drängten Maximilian etwas in den Hintergrund. Fast eine Stunde lang standen sie vor dem farbenprächtigen Schiff, das sanft im Hafenbecken schaukelte, und bewunderten es über alle Maßen.
    Koroleanische Schiffe waren immer bunt bemalt, und auch die Matrosen – hochgewachsene blonde Männer mit schwarzen Augen und geheimnisvollem Lächeln – kleideten sich sehr farbenfroh; am Gürtel hatten sie Bronzefigürchen ihrer geheimnisvollen Gottheiten hängen. Einer von Garths Freunden hatte ein kleines Fernglas mitgebracht, das ging nun von Hand zu Hand. Alle betrachteten das Schiff sehr genau und stellten abenteuerliche Vermutungen über die Länder jenseits des Witwenmachermeers an, zu dessen Überquerung man sechs Monde brauchte, wie einige behaupteten.
    Nach einer Weile hatte Garth genug von den Ratespielen und wandte sich zum Gehen. Seine Freunde wollten ihn zu einer zweiten Reifenball-Partie überreden, aber er lehnte lächelnd ab und sagte, er wolle den Nachmittag lieber allein verbringen.
    Als er einsam durch die engen Gassen streifte, mußte er wieder an Maximilian denken. Sucht den Manteceros, hatte der Prinz gesagt. Garth lächelte ironisch in sich hinein. Wo sollte er ihn denn suchen? Der Manteceros
    war doch nur ein Mythos, ein Traum. Das hatte Maximilian selbst zugegeben.
    »Such den Traum«, murmelte er und kickte mit dem Fuß ein Steinchen über den harten Lehmboden der Gasse. Dann setzte sich sein angeborener Humor durch, und er mußte lachen.
    »Suche den Traum!«
    Eine Frau hängte Wäsche auf eine Leine, die über die schmale Gasse gespannt war, und sah ihn empört an. Hinter ihr im Haus begann ein Kind zu weinen. Garth grinste und entfernte sich mit langen Schritten. Womöglich warf

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