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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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den Rest dieser schrecklichen Nacht hinter sich. Jack zerrte ihn aus dem namenlosen Loch, wo Maximilian, König von Escator, kauerte, zu drei weiteren Höhlen, die ganz ähnlich aussahen. An jedem Ort erwartete ihn eine Kolonne von neun Kettensträflingen. Einige konnte er retten, andere starben. Aber wessen Gesicht er auch gerade vor sich hatte, er sah immer nur den Mann mit der Adlernase und den dunkelblauen Augen, die ihn so brennend anstarrten – den Mann, dem Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung die Seele zerfressen hatten.
    Wie kam er hierher… was hat er in den Adern zu suchen?
    Was immer Garth gehindert hatte, Jack ins Vertrauen zu ziehen, es ließ ihn nicht ruhen. Mehrfach wandte er sich dem Wärter zu und setzte zum Sprechen an, nur um den Kopf zu schütteln, wenn Jack fragte: »Was ist?«
    »Nichts.«
    Was hat er in den Adern zu suchen?
    Ein Junge verirrte sich im Wald und wurde von Unbekannten überfallen. Man brannte ihm mit unglaublicher Grausamkeit den Manteceros aus dem Arm und verschleppte ihn in die Glomm-Minen. Ein sicheres Versteck. So sicher wie der Tod.
    Es gab nur noch den Sträfling Nummer
    achthundertneunundfünfzig.
    Garth hätte schwören können, daß derjenige, der Maximilian in die Adern hatte werfen lassen, ihn schon seit vielen Jahren für tot hielt. Welcher Mensch hatte schon die Kraft, den Mut, die Willensstärke, um siebzehn Jahre in den Glomm-Minen zu überleben! Kein Wunder, daß ein solcher Mensch nicht mehr an die Welt über Tage glaubte. Er hatte den größten Teil seines Lebens im Dunkeln verbracht – konnte er sich überhaupt noch an die Welt außerhalb der Minen erinnern? Kein Wunder, daß er nicht auf seinen Namen hören wollte.
    Maximilian.
    »Maximilian«, flüsterte Garth vor sich hin. Es war wie eine Beschwörung. Wenn Maximilian hier unten siebzehn Jahre überlebt hatte, konnte er zumindest diese eine Nacht durchhalten.
    Dann würde er hinauffahren und sich von der Sonne bescheinen lassen, bis ihm alles, was er hier unten erlebt hatte, wie ein Alptraum vorkäme, der sich leicht abzuschütteln ließ…
    … nur das Wissen, daß Maximilian unter seinen Füßen als Sklave schuftet, das würde ihn nie, niemals wieder loslassen.
    So kämpfte er sich durch diese Nacht.
    »Garth«, sagte eine vertraute Stimme, und Garth riß erschrocken den Kopf hoch. »Vater?« Joseph sah die Schatten, den Schmerz in den Augenwinkeln seines Sohnes. »Komm!«
    sagte er sanft. »Mehr können wir vorerst nicht tun. Siehst du?
    Da ist der Aufzug. Stütz dich auf mich, ja, so ist es gut. Jetzt geht es nach oben – spürst du es? Still, Garth, ganz ruhig! Es ist vorüber.«
    Nein, dachte Garth, lehnte sich an seinen Vater und weinte.
    Es fängt erst an, aber wie soll ich ihm das sagen? Wie soll ich es ihm erklären?

    Leben und Arbeit in den Glomm-Minen
    Seinem Vater erzählte Garth nichts von der Begegnung, denn was dann geschähe, wußte er genau. Joseph ginge schnurstracks zu den zuständigen Behörden, um zu melden, daß sich unter ihren Füßen Maximilian befinde, der rechtmäßige König von Escator – worauf er selbst und sein Sohn für den Rest ihres Lebens zur Zwangsarbeit in den Minen verbannt würden.
    Garth war sicher, daß irgendjemand höheren Orts von Maximilians Schicksal Kenntnis hatte. Haben mußte, und solange er, Garth, diesen Jemand nicht kannte, solange er nicht wußte, wem er vertrauen konnte und wem nicht, wagte er nicht, seinen Vater einzuweihen.
    Das Wagnis wäre einfach zu groß.
    Aber was sollte er tun?
    Die Frage raubte ihm den Schlaf.
    Die Rohre waren frei geblieben, und binnen vierundzwanzig Stunden war das eingedrungene Meerwasser abgepumpt und der eingestürzte Stollen gesprengt. Nachdem weitere Gefahr im wahrsten Sinne des Wortes ausgeschlossen war, fuhren Garth und sein Vater jeden Tag in die Adern ein und behandelten die kleineren Verletzungen und eine zerstörerische Pilzseuche, die fast alle befiel, die hier in ewiger Nacht und bei feuchter, schwefelhaltiger Luft Schwerstarbeit leisten mußten.
    Garth wartete an jedem Tag, den er in den Adern verbrachte, auf ein neuerliches Zusammentreffen mit Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig, aber er kam nie wieder in den Stollen, in den ihn Jack in jener ersten Nacht geführt hatte, und Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig wurde offenbar immer nur dort eingesetzt.
    So gingen die Wochen dahin. In den ersten Stunden in den Tiefen des Bergwerks hatte Garth es kaum erwarten können, diesem Ort den Rücken

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