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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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bin, könnte ich mir die Wunden kurz ansehen. Um ganz sicher zu sein, daß sich kein Pilz eingenistet hat.«
    Jack rang verzweifelt die Hände, aber er hielt ihn nicht zurück.

    Garth drängte sich vorbei, bevor der Wärter anderen Sinnes werden konnte. Er untersuchte jeden Sträfling gründlich, legte seine Hände auf die halb verheilten Wunden und ließ so viele Heilkräfte in sie einströmen, wie er nur aufbringen konnte. Die Männer hatten wegen seiner Lüge eine demütigende Durchsuchung über sich ergehen lassen müssen, sie hatten zumindest diese kleine Wiedergutmachung verdient.
    Dann hatte er wie schon einmal den Letzten in der Reihe erreicht.
    »Maximilian«, flüsterte er.
    »Ich bin Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig«, kam es abwehrend zurück. Garth betastete Maximilians Verletzung mit den Fingern und stellte überrascht fest, daß sie anders als bei seinen Leidensgenossen vollkommen verheilt war.
    »Ihr tragt den Manteceros unter der Narbe«, flüsterte Garth schnell, »und zumindest ich glaube an die Welt über Tage. Ich will Euch hier herausholen und dahin zurückbringen, wo Ihr hingehört. Sagt mir, was ich tun soll.«
    »Ich bin nicht…«, begann der Mann von neuem, aber nun war es Garth, der ihm ins Wort fiel.
    »Sagt es mir!« Feurige Kräfte entströmten seinen Fingern.
    »Ich bin nicht würdig«, murmelte der Gefangene zögernd.
    Die blauen Augen waren weit aufgerissen.
    »Warum nicht?« Wieder flammte das Feuer in seinen Händen auf.
    In Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig regte sich eine Erinnerung. »Ich bin nicht Maximilian. Ich bin ein Wechselbalg.«
    »Ein was?«
    Jack trat schon von einem Fuß auf den anderen und winkte ungeduldig. Garth hatte keine Zeit mehr zu verlieren. »Ihr seid Maximilian, und ich werde Euch hier herausholen. Also, was muß ich tun? Nun sagt schon!«
    Der Gefangene ließ den Kopf hängen. »Sucht den Manteceros«, murmelte er kaum vernehmlich. »Der Manteceros wird nur den wahren König bestätigen, keinen anderen.« Er hob den Kopf, und Garth glaubte, seine Zähne aufblitzen zu sehen.
    »Aber mir wird er nicht helfen.«
    »Wer hat Euch hierhergebracht?« flüsterte Garth drängend.
    Wie sollte er Maximilian nur etwas entlocken, was ihm weiterhalf? »Wer? Etwas müßt Ihr doch noch wissen!«
    Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig zögerte. Die sonderbaren Erinnerungen, die unter den Händen des Jungen aufflackerten, waren ihm nicht willkommen. »Da waren Stimmen. Alle riefen durcheinander.« Er erschauerte. »Aber nur ein Name. Furst.«
    »Was machst du da unten so lange, Junge?« rief Jack.
    »Kommst du nun endlich?«
    »Bei diesem Mann ist die Verletzung wieder aufgebrochen!«
    rief Garth und hörte erstaunt, daß seine Stimme halbwegs normal klang. »Ich bin fast fertig.«
    »Furst«, sagte er leise und beugte sich wieder über den Arm des Sträflings. »Schön, das werde ich mir merken. Aber was meint Ihr mit ›Sucht den Manteceros‹? Er ist doch nur ein Fabelwesen… oder etwa nicht?«
    Unter dem Auge des Mannes zuckte ein Muskel, dann murmelte er einen seltsamen Vers. Garth mußte sich anstrengen, um die Worte zu verstehen.
    »Reißt das Schicksal Himmel und Erde entzwei, Rast das Feuer und toben die Winde,
    Dann rufet den Traum; o setzet ihn frei, Damit den wahren König er finde.«
    »Welcher Traum?« Garth legte dem Mann hastig einen Verband an, obwohl die Wunde sauber verheilt war.
    Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig lächelte, ein Grinsen eher, finster und freudlos. »Der Manteceros ist ein Traum, Junge. Wie alles über Tage. Alles ist ein Traum. Alles.
    Es gibt dort nichts mehr.«
    Garth hörte Schritte hinter sich, und eine derbe Hand legte sich ihm auf die Schulter.
    »Junge?« Jacks Stimme klang scharf, fast zornig. »Wie lange willst du mir noch die Zeit stehlen?«
    »Ein Traum«, flüsterte Sträfling Nummer
    achthundertneunundfünfzig. »Nichts als ein Traum.«
    »Manchmal werden Träume auch Wirklichkeit«, murmelte Garth, dann richtete er sich auf und drehte sich zu Jack um.
    »Ich bin fertig«, sagte er.
    Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig wandte sich ab, faßte seine Hacke fester und schlug sich den Jungen und seine Worte aus dem Sinn. Die feurige Berührung der ›Hände‹
    auf seiner Haut wurde bereits schwächer. Die aufgeflackerten Erinnerungen erloschen.
    Er atmete erleichtert auf. Es waren doch Träume gewesen.
    Nur die Finsternis war wirklich.
    Garth fand wenig Ruhe in dieser Nacht.

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