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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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verkrampft, aus seinen Augen schlugen ihnen Angst und Abwehr entgegen.
    »Maximilian«, flüsterte Garth. »Ich habe den Manteceros gefunden. Er hat eine Botschaft für Euch.« Sein Vater hob verwundert den Kopf.
    Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig sah Garth mit starrem Blick an. Ein dünner Schweißfilm glänzte auf seinem schwarzen Gesicht. Er hatte aufgehört zu atmen.
    »Hört zu, Maximilian!« Und Garth rezitierte die Verse, die ihm der Manteceros mit auf den Weg gegeben hatte.
    »Ertränkt in Kristall mich, Mit Wahrheit umhüllt mich, Den Tod legt mir an. Mit Blut deckt die Seide…«
    »Nein«, flüsterte Sträfling Nummer
    achthundertneunundfünfzig. »Haltet ein, ich bitte Euch!«
    »Steckt in Mut meinen Fuß Und gürtet mich mit Licht. Wählt einen, der ernennt mich… Einen zweiten, der kennt mich.
    Dann führet hinein mich in die grünschatt’ge Laube.«
    »Aufhören!«
    »Mit dem Ring meiner Väter Ritze tief ich den Stein.
    Schenke Leben den Linien, Wandle Stein in Gebein.«
    Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig schlug wimmernd die Hände vor das Gesicht. »Nein!«
    »Wer fordert den Thron? Wer wagt den Traum? Wagt ihn und…«

Garth holte tief Atem, beugte sich vor und faßte den Gefangenen an den Händen. »Wagt den Traum, Maximilian, und fordert Euren Thron. Dann mag der Manteceros entscheiden, ob Euer Anspruch berechtigt ist oder nicht.«
    Maximilian wehrte sich nicht, als Garth seine schmutzverkrusteten Hände mit den eigenen umschloß. Die Tränen liefen ihm über die Wangen und hinterließen tiefe Spuren in der Glommschicht. Er zitterte an allen Gliedern.
    »Ertränkt in Kristall mich«, flüsterte er, dann versagte ihm die Stimme, und er schwankte zwischen Lachen und Weinen. »O
    ihr Götter! Ich könnte wahrhaftig ein Bad vertragen!«
    Vorstus nahm einen Atemzug, der wie ein Schluchzen klang.
    Seine Gefühle drohten ihn zu überwältigen. Nur ein Prinz und Thronerbe konnte wissen, worauf sich die Zeile bezog.
    »Maximilian«, sagte er, »wir sind hier, um Euch nach Hause zu bringen.«
    Dann stand er auf und blickte zum Hangenden empor.
    »Ravenna!«
    Sie huschte unbemerkt durch den undurchdringlichen Meeresnebel. Er war im Lauf des Vormittags ständig dichter geworden. Nun wagten sich die Menschen über Tage kaum noch auf die Straßen – oder nur mit hoch erhobenen Laternen, deren Licht von den feuchten Schwaden zurückgeworfen wurde und die Augen blendete.
    Ravenna hatte die Kapuze ihres roten Wollmantels abgestreift, das schwarze Haar fiel ihr offen über die Schultern.
    Sie ging barfuß.
    Als sie sich anschickte, ihren Zauber zu wirken, wich die Farbe immer mehr aus ihren grauen Augen.
    Lächelnd sprang sie über den Pfad auf den Förderturm über dem Hauptschacht zu und begann zu singen:
    »Ein Schritt, ein Sprung, o Liebster mein, Ein Schritt, ein Sprung, in die Hand hinein.«

    Ihre Stimme klang klar und rein, und sie warf mit beiden Händen den Mantel zurück, bis er ihr wie zwei mächtige rote Vogelschwingen um die Schultern flatterte.
    Die Männer an den Eisengerüsten und in den Gebäuden über dem Bergwerk bewegten sich langsamer und rieben sich die Augen. Einige gähnten, andere spähten neugierig, aber ohne Angst in den Nebel – hatte er nicht einen bläulichen Ton angenommen? Doch schließlich sanken alle in sich zusammen, verschränkten die Arme über oder unter den Köpfen, schlossen die Lider und begannen zu träumen.
    »Ein Schritt, ein Sprung, ganz frank und frei, Ein Schritt, ein Sprung, fliegst du herbei.«
    In seiner Schreibstube ließ Furst den Kopf auf den Tisch sinken und begann rasselnd zu schnarchen.
    »Ein Schritt, ein Sprung, zum Himmel hoch, Ein Schritt, ein Sprung, du zögerst noch?«
    Jetzt stand Ravenna vor dem Schacht und sah in den schwarzen Abgrund hinab.
    Um sie herum wogte lautlos der Nebel, und in seinen Tiefen bewegten sich seltsame Gestalten.
    Über den Adern war alles still. Immer tiefer versanken die Männer in ihren Träumen.
    Lange Nebelfinger senkten sich in den Schacht hinab, Ravenna lächelte.
    »Ein Schritt, ein Sprung, o Liebster mein, Ein Schritt, ein Sprung, ins Herze mein.«
    Ihre Augen waren ganz weiß geworden.
    Vorstus wartete, bis die ersten Schwaden des magischen Nebels in die Höhle schwebten, dann schritt er zur Tat.

    Er reichte Joseph einen Hammer und bedeutete Garth, die Hacke aufzuheben, die Maximilian in den Staub und das Geröll zu ihren Füßen hatte fallen lassen.
    Dann drehte er sich kurz zu den Wärtern

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