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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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flüsterte Vorstus. Jack befahl den Wärtern, die Sträflinge in den Hauptstollen zu führen. »Aber macht schnell, damit wir es bald hinter uns haben.«
    Überrascht trieben die beiden Wärter ihre Kolonne aus dem engen Gang. »Jack?« fragte einer von ihnen. »Was gibt es denn?«
    »Die Pilzseuche«, sagte Jack. »Nimmt überhand. Die Fördermenge ist zu niedrig.«
    Der Wärter sah seinen Kameraden verständnislos an.
    »Pilzseuche? Diese Kolonne ist pilzfrei, Jack.«
    Garth begriff, daß die Mönche wohl schon zu erschöpft waren, um auch noch auf das Bewußtsein dieser beiden Wärter einzuwirken. »Dann liegt wohl ein Mißverständnis vor«, schaltete er sich freundlich ein. »Aber wenn wir schon hier sind, können wir sie auch gleich untersuchen. Nicht wahr, Vater?«
    Joseph begriff. »Äh, ja, laßt sie dort vor der Wand in einer Reihe antreten, Wärter. So ist es gut. Unter der Fackel. Vielen Dank.« Welcher von ihnen ist es? dachte er verzweifelt.
    Welcher von ihnen? Sein Blick eilte die Reihe entlang, aber er verzog dabei keine Miene. »Garth? Kommst du?«
    Die Männer waren zu Boden gesunken, sobald die Wärter sie an die Wand geschoben hatten. Ruhepausen waren selten genug, man mußte sie nützen. Sie waren über und über mit Teerstaub bedeckt, nur das Weiß ihrer Augen verriet, daß es sich um lebende Menschen handelte und nicht um tote Statuen, die man aus einem einzigen Glommblock gehauen hatte.
    Die Wärter – echte wie falsche – setzten sich auf den Boden und begannen ein Würfelspiel. Garth führte Joseph zum letzten Mann in der Reihe.
    Vor Aufregung taumelnd, ging Garth in die Knie.
    »Maximilian?«
    Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig starrte ihn abweisend an. Was wollte der Junge von ihm? Wieso belästigte er ihn schon wieder? Er hatte schlimme Träume, seit ihn der Bursche bei seinem letzten Besuch so tief beunruhigt hatte… wann war das noch gewesen? Vor einem oder zwei Monden vielleicht?
    Joseph ließ sich neben seinem Sohn nieder, streckte zitternd die Hand aus und faßte dem Sträfling unter das Kinn. Dann drehte er ihm den Kopf ein wenig zur Seite, bis der Schein der Fackel seine Züge gleichmäßig erhellte.
    »Maximilian!« flüsterte Joseph. »Ihr Götter… Maximilian!«
    Die Stimme versagte ihm. »Maximilian, kennt Ihr mich nicht mehr?«
    »Verschwindet!« fauchte Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig. »Laßt mich in Ruhe!«
    »Er will sich nicht eingestehen, wer er ist«, murmelte Garth.
    »Vater? Komm, leg deine ›Hände‹ um seinen Arm.«

    Aber Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig riß den Arm zur Seite, bevor Joseph ihn berühren konnte. »Faßt mich nicht an!« zischte er.
    Der Gefangene zu seiner Linken wurde unruhig und brummte etwas vor sich hin.
    »Maximilian«, mahnte Garth leise, »bleibt ganz ruhig. Ich bin Garth, wißt Ihr noch? Und das ist mein Vater, Joseph Baxtor.
    Vielleicht erinnert Ihr Euch an ihn – aus Eurer Kindheit.«
    »Maximilian?« murmelte Joseph wieder. Was ist hier geschehen?
    »Ich bin Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig, Junge! Und nun laß mich in Frieden!«
    »Wir sind gekommen, um Euch zu befreien«, erklärte Garth entschlossen.
    Es war das Schlimmste, was er hätte sagen können.
    Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig zuckte zusammen wie unter einem Peitschenschlag. »Befreien?«
    flüsterte er entsetzt. »Nein. Nein!« Sollte er frei und ohne Fesseln in dieser schwülen Finsternis umherirren? Um vor Einsamkeit dem Wahnsinn zu verfallen? »Nein!«
    Er holte tief Atem. »Wärter!« rief er. »Schafft diese Männer weg!«
    Garth sah erschrocken, wie Jack sich erheben wollte, doch Vorstus legte ihm schon die Hand auf die Schulter, und der Wärter sank wieder zurück.
    Nun kam der Mönch herübergeeilt, ging vor der kleinen Gruppe – die von den übrigen Sträflingen inzwischen mit großen, verängstigten Augen beobachtet wurde – in die Knie und beugte in tiefem Respekt vor Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig das Haupt. Alle waren erschüttert.
    »Prinz Maximilian«, flüsterte er. »Ich bin Vorstus. Seht her!«
    Und er streckte ihm die Hand entgegen.

    Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig hatte Joseph offenbar nicht erkannt, doch als er den tätowierten Federkiel auf Vorstus’ Zeigefinger sah, weiteten sich seine Augen, und er zog scharf den Atem ein.
    Dennoch wich er so weit vor den dreien zurück, daß er den Sträfling zu seiner Linken bedrängte. Jeder Muskel seines Körpers war

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