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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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Welt, im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, sollte es jedoch anders kommen: Bürgermeister Bloomberg schrieb Warnungen angesehener jüdischer Ärzte vor den Gefahren des Brauches in den Wind und wies seine Gesundheitsbehörde an, vorerst keine Entscheidung zu fällen. Es gelte nun vor allem, so Bloomberg, dafür Sorge zu tragen, dass die freie Religionsausübung nicht eingeschränkt werde. Das bekam ich in einer öffentlichen Debatte auch von Peter Steinfels, dem liberalen katholischen Redakteur, der bei der New York Times für die Rubrik Religion zuständig ist, zu hören.
    Zufällig fanden in jenem Jahr Bürgermeisterwahlen in New York statt, was häufig vieles erklärt. Doch das Prinzip greift auch in anderen Religionen, anderen Bundesstaaten, anderen Städten und anderen Ländern. In weiten Teilen des animistischen und muslimischen Afrika werden Mädchen der Hölle der Beschneidung oder der Infibulation ausgesetzt, bei der, oft mit einem scharfen Stein, die Klitoris und die kleinen Labien beschnitten werden und der Vaginalausgang anschließend mit dickem Garn zugenäht wird; die Naht wird erst in der Hochzeitsnacht vom Ehemann gewaltsam geöffnet. Bis dahin verlangen das Mitgefühl und die Erfordernisse der Biologie das Belassen einer kleinen Öffnung für den Urin und das Menstruationsblut. Der Gestank, der Schmerz, die Erniedrigung und das Elend, die daraus erwachsen, übersteigen jede Vorstellungskraft; die Folge sind Infektionen, Sterilität, Scham und der Tod vieler Frauen und Säuglinge bei der Geburt. Keine Gesellschaft würde einen solchen Angriff auf ihre Frauen und somit auf ihren eigenen Fortbestand tolerieren, wenn der grauenhafte Brauch nicht heilig wäre. Doch auch ein New Yorker lässt Gräueltaten gegen Babys nur unter dieser Voraussetzung zu. Eltern, die den widersinnigen Behauptungen der »Christian Science« glauben, hat man verschiedentlich angeklagt, jedoch nicht immer verurteilt, weil sie ihrem Nachwuchs dringend notwendige medizinische Hilfe verweigert hatten. Eltern, die sich »Zeugen Jehovas« nennen, erlauben für ihre Kinder keine Bluttransfusionen. Mormonische Eltern, die daran glauben, dass einem gewissen Joseph Smith einst der Weg zu vergrabenen Goldplatten gewiesen wurde, verheiraten ihre minderjährigen Töchter bevorzugt mit einem Onkel oder Cousin, der oft bereits ältere Ehefrauen hat. Die schiitischen Fundamentalisten im Iran haben das »Einwilligungs«-Alter auf neun Jahre gesenkt, vielleicht im bewundernden Andenken an die jüngste »Frau« des »Propheten« Mohammed. Hindu-Kindsbräute in Indien werden ausgepeitscht und manchmal bei lebendigem Leib verbrannt, wenn die armselige Mitgift, die sie mit in die Ehe bringen, als zu gering erachtet wird. Der Vatikan und sein umfangreiches Diözesennetz mussten allein im vergangenen Jahrzehnt in zahllosen Fällen von Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung ihre Komplizenschaft eingestehen; die Vergehen waren vorwiegend, aber durchaus nicht ausschließlich, homosexuell motiviert, wobei bekannte Päderasten und Sadisten vor Strafe geschützt und in Gemeinden versetzt wurden, in denen sie eine noch größere Auswahl an unschuldigen und schutzlosen Opfern fanden. In Irland – einst unzweifelhaft treu der Holy Mother Church ergeben – sind heute einer Schätzung zufolge in den religiösen Schulen die nicht missbrauchten Kinder in der Minderzahl.
    Nun pocht die Religion beim Schutz und bei der Bildung von Kindern auf eine Sonderrolle. »Wehe dem«, sagt der Großinquisitor in Dostojewskis Die Brüder Karamasow , »der einem Kind etwas zuleide tut!« Jesus erklärt im Neuen Testament, einer, der sich eines solchen Verbrechens schuldig mache, sei besser im Meer aufgehoben, »wo es am tiefsten ist«, und zwar mit einem Mühlstein um den Hals. Doch in Theorie und Praxis bedient sich die Religion der Unschuldigen und Wehrlosen für ihre Experimente. Sollen doch die praktizierenden jüdischen Männer ihren frisch beschnittenen blutigen Penis einem Rabbi in den Mund stecken – was zumindest in New York legal wäre. Sollen sich Frauen, die ihren Schamlippen misstrauen, doch von anderen erbärmlichen Frauen beschneiden lassen. Soll sich Abraham doch zur Selbsttötung bereit erklären, um seine Demut vor dem Herrn zu beweisen oder seinen Glauben an die Stimmen in seinem Kopf. Sollen sich doch fromme Eltern bei akuten Schmerzen den Beistand durch die Medizin versagen. Soll sich meinetwegen der Priester, der sich zum Zölibat verpflichtet hat,

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