Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
wurde zuletzt vor dem hässlichen Heiligtum des Ayatollah Khomeini in Südteheran so ein Geschäft angetragen. Verschleierte Frauen und solche in Burkas aber, die von ihren Ehemännern mit dem Virus angesteckt werden, sollen bitte still und leise sterben. Man muss davon ausgehen, dass überall auf der Welt noch Millionen friedlicher und anständiger Menschen elend und sinnlos zu Tode kommen werden dank eines solchen Obskurantismus.
Das Verhältnis der Religion zur Medizin ist, wie auch das zu den Naturwissenschaften, schwierig und häufig von Feindschaft geprägt. Ein moderner Gläubiger mag behaupten und sogar davon überzeugt sein, dass sein Glaube mit den Naturwissenschaften und der Medizin vereinbar ist, doch beide neigen leider dazu, das Monopol der Religion zu unterlaufen, und werden daher von dieser oft erbittert bekämpft. Was wird aus dem Wunderheiler und dem Schamanen, wenn sich jeder einfache Bürger der Wirkung von Medikamenten und Behandlungen vergewissern kann, die ganz ohne Zauber und Zeremonien auskommen? Sie werden so überflüssig wie der Regenmacher, wenn ein Meteorologe aufkreuzt, oder der Sterndeuter, wenn der Schullehrer des ersten Fernrohrs habhaft wird. Dass Seuchen früher als Strafen der Götter galten, bestärkte die Priester in ihrer Macht und machte es ihnen leichter, Ungläubige und Ketzer zu verbrennen, die – so eine andere Erklärung – mit ihrer Zauberkraft angeblich Krankheiten verbreiteten oder Brunnen vergifteten. Die Orgien der Dummheit und Grausamkeit, in denen sich die Menschheit erging, ehe sie eine ordentliche Vorstellung von der Entstehung von Krankheiten durch Erreger hatte, mögen noch verzeihlich sein. Die Hälfte der »Wunder« im Neuen Testament handelt vom Heilen, das den Menschen in einer Zeit, als schon eine leichte Erkrankung zum Tod führen konnte, sehr wichtig war; sogar der heilige Augustinus glaubte nach eigener Aussage vor allem der Wunder wegen an das Christentum. Naturwissenschaftliche Religionskritiker wie Daniel Dennett haben in aller Großzügigkeit darauf hingewiesen, dass auch völlig nutzlose Heilrituale die Genesung der Menschen befördert hätten, immerhin ist bekannt, wie nützlich eine positive innere Einstellung im Kampf gegen eine Verletzung oder Infektionen sein kann. [FUSSNOTE12]
Doch diese Entschuldigung ermöglicht erst der Rückblick. Sie wurde hinfällig, als Dr. Jenner entdeckte, dass sich mit einem Kuhpockenimpfstoff der Ausbruch der Pocken verhindern lässt. Und trotzdem lehnte Timothy Dwight, der Gründer der Universität Yale und bis heute einer der angesehensten Theologen der amerikanischen Geschichte, die Pockenimpfung ab, weil er sie als Einmischung in den göttlichen Plan betrachtete. Und diese Mentalität ist noch weitverbreitet, obwohl ihre Ursache und Rechtfertigung, die menschliche Unwissenheit, schon lange der Vergangenheit angehört.
Es ist interessant und lässt tief blicken, dass der Erzbischof von Rio den Hund für seine Analogie heranzieht. Hunde machen sich nicht die Mühe, ein Kondom überzuziehen. Wer sind wir, uns an ihrer Treue zur »Natur« zu stoßen? Als kürzlich in der anglikanischen Kirche heftig darüber gestritten wurde, ob Homosexuelle die Ordination erhalten sollten, brachten mehrere Bischöfe das alberne Argument vor, Homosexualität sei »unnatürlich«, weil sie bei anderen Arten nicht vorkomme. Einmal ganz abgesehen von der bodenlosen Unsinnigkeit dieser Beobachtung: Sind die Menschen nun ein Teil der »Natur«, oder sind sie es nicht? Oder anders: Wenn sie nun zufällig homosexuell sind, sind sie dann nach Gottes Vorbild geschaffen oder nicht? Einmal ganz zu schweigen davon, dass homosexuelles Verhalten bei vielen Vogel- und Säugetierarten, auch Primaten, umfassend dokumentiert ist. Wer sind die Geistlichen, die Natur zu interpretieren? Dass sie das nicht können, haben sie bereits zur Genüge bewiesen. Ein Kondom ist schlichtweg eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung dafür, die Übertragung des Aids-Virus zu verhindern. Da sind sich alle qualifizierten Fachleute einig, einschließlich derer, die Abstinenz für die bessere Lösung halten. Homosexualität kommt in allen Gesellschaften vor, und ihr Auftreten weist sie wohl als Teil des menschlichen »Designs« aus. Diesen Tatsachen müssen wir uns notgedrungen stellen. Wir wissen auch, dass die Beulenpest nicht von Sündern oder Abtrünnigen übertragen wurde, sondern von Ratten und Flöhen. Erzbischof Lancelot Andrewes fiel
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