Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
Jahres poliofrei sein werde. Wenn es gelänge, mussten nur noch kleine Flecken in Afghanistan und zwei schwer zugängliche Regionen, die dem religiösen Eifer zum Opfer gefallen waren, versorgt werden, bis wir behaupten konnten, dass die Tyrannei einer weiteren uralten Krankheit endgültig gebrochen war.
Im Jahr 2005 erfuhr ich, wie die Sache ausgegangen war. In Nordnigeria – das bereits für poliofrei erklärt worden war – veröffentlichte eine Gruppe islamischer Geistlicher ein Rechtsgutachten, eine sogenannte Fatwa, nach der es sich bei der Polioimpfung um eine Verschwörung der USA und, man höre und staune, der Vereinten Nationen gegen den muslimischen Glauben handle. Den Mullahs zufolge sollte die Medizin die aufrechten Gläubigen sterilisieren; Ziel und Wirkung sei demnach ein Völkermord. Niemand dürfe die Tropfen einnehmen oder Kindern verabreichen. Wenige Monate später war die Kinderlähmung wieder da, und zwar nicht nur in Nordnigeria, denn Nigeriareisende und Pilger hatten sie bereits bis nach Mekka und in mehrere andere bereits poliofreie Länder getragen, darunter drei afrikanische Staaten sowie der Jemen. Der schwere Felsbrocken musste noch einmal bis ganz auf den Gipfel gerollt werden.
Man könnte meinen, es handle sich hier um einen Einzelfall. Weit gefehlt. Ich will nur das mir vorliegende Video erwähnen, auf dem Kardinal Alfonso Lopez Trujillo, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie im Vatikan, seine Zuhörer eindringlich davor warnt, dass Kondome in Wahrheit mit vielen mikroskopisch kleinen Löchern versehen seien, die das Aids-Virus durchließen. Schließen wir einen Moment die Augen, stellen wir uns vor, unser Wort sei wegweisend, und überlegen uns, wie wir mit den wenigsten Worten größtmögliches Leid anrichten könnten. Malen wir uns aus, welchen Schaden diese Aussage angerichtet hat: Wahrscheinlich lassen diese Löchlein ja noch mehr durch, womit das Kondom als solches völlig überflüssig wird. In Rom ist so eine Aussage schon niederträchtig. Doch was geschieht, wenn man die Botschaft in die Sprachen der armen und gebeutelten Länder übersetzt? In Brasilien predigte der Weihbischof von Rio de Janeiro, Rafael Llano Cifuentes, den versammelten Gläubigen zur Karnevalszeit: »Die Kirche lehnt die Verwendung von Kondomen ab. Die sexuellen Beziehungen zwischen Mann und Frau müssen natürlich sein. Nie habe ich erlebt, dass ein kleiner Hund beim Geschlechtsverkehr mit einer Hündin ein Kondom verwendet.« [FUSSNOTE10]
Führende Kirchenvertreter anderer Länder – Kardinal Obando y Bravo in Nicaragua, der Erzbischof von Nairobi und der ugandische Kardinal Emmanuel Wamala – erzählten ihren Schäfchen, dass Kondome Aids übertragen . Kardinal Wamala vertrat gar die Ansicht, Frauen, die an Aids sterben, statt sich mit Latex zu schützen, seien als Märtyrerinnen zu betrachten – was vermutlich nur für den Märtyrertod im Rahmen einer ehelichen Beziehung gelten sollte.
Die islamischen Religionsführer haben sich keinesfalls besser, manchmal sogar noch schlimmer benommen. Im Jahr 1995 drängte das Konzil der Ulemas in Indonesien darauf, Kondome nur auf Rezept und nur an verheiratete Paare auszuhändigen. Im Iran darf einem Arbeiter, der HIV-positiv ist, gekündigt werden, und Ärzte und Krankenhäuser haben das Recht, die Behandlung von Aids-Patienten zu verweigern. Ein Vertreter des pakistanischen Aids-Kontrollprogramms erklärte im Jahr 2005 gegenüber der Zeitschrift Foreign Policy , das Problem sei in seinem Land aufgrund der »besseren sozialen und islamischen Werte« nicht so dramatisch. [FUSSNOTE11]
Und das in einem Staat, in dem das Gesetz die Verurteilung einer Frau zu einer Vergewaltigung durch mehrere Männer vorsieht, um auf diesem Weg die »Schande« durch ein vom Bruder der Frau verübtes Vergehen zu sühnen. Hier kommt die alte religiöse Kombination aus Unterdrückung und Verleugnung zum Tragen: Über eine Seuche wie Aids spricht man nicht, weil der Koran vorehelichen Geschlechtsverkehr, Drogenmissbrauch, Ehebruch und Prostitution hinreichend verbietet. Schon ein Besuch, sagen wir im Iran, beweist aber das Gegenteil. Hier machen die Mullahs aus der Scheinheiligkeit ein Geschäft, indem sie, zum Teil in speziell dafür vorgesehenen Häusern, auf wenige Stunden »zeitlich beschränkte« Hochzeitsurkunden verkaufen, wobei die Scheidungspapiere beim Geschäftsabschluss gleich mit unterzeichnet werden. Fast könnte man von Prostitution sprechen ... Mir
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