Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
Gottes Worte auf dem Sinai, und sie bitten geradezu darum, die Schuld für Jesu Tod allen nachfolgenden Generationen aufzubürden – eine Forderung, die zu erheben sie, selbst wenn sie es taten, weder das Recht noch die Macht hatten.
Die jungfräuliche Geburt ist jedoch der denkbar einfachste Beweis dafür, dass Menschen an der Entstehung der Legende beteiligt waren. Jesus erhebt große Ansprüche auf seinen Vater, erwähnt aber mit keinem Wort, dass seine Mutter eine Jungfrau ist oder war, und behandelt sie wiederholt ungebührlich und rüde, wenn sie, wie es jede jüdische Mutter tun würde, nach ihm sieht. Sie selbst hat offenbar keinerlei Erinnerung an den Besuch des Erzengels Gabriel oder an die Engelsschar, die ihr jeweils verkündeten, dass sie die Mutter Gottes sei. Allen Berichten zufolge ist sie über alles, was ihr Sohn tut, sehr verwundert, wenn nicht gar schockiert. Wie kommt er dazu, sich mit den Rabbinern im Tempel zu unterhalten? Was meint er damit, wenn er sie knapp daran erinnert, dass er im Auftrag seines Vaters unterwegs ist? Wäre von einer Mutter nicht ein besseres Gedächtnis zu erwarten, zumal von einer, die es als einzige Frau erlebt hatte, schwanger zu werden, ohne sich der bekannten Vorbedingung für diesen glücklichen Umstand unterzogen zu haben? Lukas unterläuft ein vielsagender Ausrutscher, als er erzählt, dass nach Ablauf der Tage ihrer Reinigung die »Eltern das Kind Jesus« in den Tempel bringen. Der alte Simeon spricht zu diesem Anlass sein wunderbares »Nunc dimittis« – eine meiner bevorzugten Bibelstellen für Trauerreden das ebenfalls auf Mose verweisen könnte, der erst in sehr hohem Alter das Gelobte Land erblickte.
Dann ist da noch Marias außergewöhnlich große Kinderschar. Matthäus informiert uns über vier Brüder und einige Schwestern Jesu (13, 55-57). Das Jakobusevangelium, das nicht kanonisch ist, aber auch nicht zu den verworfenen Schriften gehört, ist der Bericht von Jesu Bruder Jakob, der wohl in den religiösen Kreisen seiner Zeit recht aktiv war. Es ließe sich ja darüber diskutieren, ob Maria als Virgo intacta »empfangen« und ein Kind auf die Welt gebracht hat, worauf sie mit Sicherheit weniger intakt gewesen wäre. Doch wie bekam sie dann weiter Kinder mit dem Mann Joseph – der nur in indirekter Rede vorkommt –, bis die Familie so groß war, dass es sogar von »Augenzeugen« wiederholt kommentiert wurde?
Um dieses sowohl ans Tabu als auch ans Sexuelle grenzende Dilemma zu lösen, wird die Geschichte erneut zurückentwickelt. In diesem Fall geschah das lange nach den turbulenten frühen Kirchenkonzilen, auf denen entschieden wurde, welche Evangelien »kanonisch« sind und welche »apokryph«. Man legte fest, dass Maria – deren Geburt in der Heiligen Schrift mit keinem Wort erwähnt wird – eine »unbefleckte Empfängnis« gehabt haben muss. Und da der Tod der Sünde Lohn ist und Maria auf keinen Fall gesündigt haben kann, legte man weiterhin fest, dass sie auch nicht gestorben sein kann. So entstand das Dogma von »Mariä Himmelfahrt«, das, völlig aus der Luft gegriffen, Luft als das Medium festschreibt, durch das Maria unter Umgehung des Grabes in den Himmel kam. Die Doktrin von der »Unbefleckten Empfängnis« wurde im Jahr 1854 vom Papst verkündet, das Dogma von Mariä Himmelfahrt im Jahr 1950. »Menschgemacht« heißt nicht unbedingt »töricht«. Diese heroischen Rettungsversuche verdienen durchaus Anerkennung, auch heute noch, da wir das leckgeschlagene Schiff langsam und spurlos untergehen sehen. Doch so »inspiriert« die Entscheidung der Kirche auch gewesen sein mag, so wäre es doch eine Beleidigung für die Gottheit, wenn man behauptete, dass solcherlei Inspiration irgendwie göttlich gewesen wäre.
Die Sonne steht still, damit Josua an einem Ort, der bis heute nicht bekannt ist, sein Massaker beenden kann: So und ähnlich ist das gesamte Alte Testament von Träumen und astrologischen Aussagen durchzogen. Auch in der christlichen Bibel wimmelt es von Sternen – am bekanntesten ist der von Bethlehem –, Medizinmännern und Zauberern. Viele Lehren und Aussprüche Jesu sind harmlos, insbesondere die »Seligpreisungen«, aus denen viel unrealistisches Wunschdenken über die Schwachen und Friedensstifter spricht. Viele sind aber auch unverständlich und zeugen von Aberglauben, andere sind absurd und offenbaren eine primitive Haltung zur Landwirtschaft – das betrifft alle Stellen, in denen es ums Pflügen und Säen geht oder
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