Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
an Moral gegolten.
Das beste mir bekannte Argument dafür, dass die Existenz Jesu als höchst fragwürdig gelten muss, geht dahin, dass seine Jünger, allesamt Analphabeten, keinerlei schriftliche Zeugnisse hinterließen. Ohnehin können sie keine »Christen« gewesen sein, weil sie die Bücher, mit denen die Christen ihren Glauben bekräftigen müssen, noch nicht kannten und darüber hinaus nicht ahnen konnten, dass auf der Grundlage der Lehren ihres Meisters je eine Kirche gegründet werden würde. Auch in den später zusammengestellten Evangelien wird übrigens mit kaum einem Wort erwähnt, dass Jesus eine Kirche gründen wollte.
All dessen ungeachtet deutet der Wirrwarr aus Prophezeiungen im »Alten« Testament darauf hin, dass der Messias in der Stadt Davids zur Welt kommen würde, bei der es sich wohl in der Tat um Bethlehem handelte. Jesu Eltern wohnten aber in Nazareth, und wenn sie ein Kind bekamen, dann wäre es sehr wahrscheinlich auch dort geboren worden. Deshalb musste mit viel Erfindungsgeist rund um Augustus, Herodes und Cyrenius die Geschichte von der Schätzung konstruiert werden, um die Geburt nach Bethlehem zu verlegen (wo übrigens nirgendwo von einem »Stall« die Rede ist). Doch warum, wenn es doch viel einfacher gewesen wäre, Jesu Geburt gleich in Bethlehem anzusiedeln? Die Versuche, die Geschichte hinzubiegen, lassen den Rückschluss zu, dass tatsächlich jemand zur Welt kam, der später noch von Bedeutung sein sollte, sodass die Fakten nachträglich angepasst werden mussten, damit auch die Prophezeiungen in Erfüllung gingen. Allerdings wird mein Versuch einer fairen und aufgeschlossenen Betrachtung vom Johannesevangelium unterminiert, das den Schluss nahelegt, dass Jesus weder in Bethlehem geboren wurde noch von König David abstammte. Wenn die Apostel es nicht wissen oder sich nicht einig sind, was nützt dann meine Analyse? Warum wird an einer Stelle mit Jesu königlicher Herkunft geprahlt und von Prophezeiungen geredet, an anderer aber seine angeblich niedere Herkunft betont? Fast alle Religionen vom Buddhismus bis zum Islam präsentieren entweder einen bescheidenen Propheten oder einen Prinzen, der sich mit den Armen identifiziert – doch ist das nicht der reine Populismus? Es ist wahrlich nicht weiter verwunderlich, dass sich die Religionen in erster Linie an die Masse der Armen, Verwirrten und Ungebildeten wenden.
Die Ungereimtheiten des Neuen Testamentes füllen bereits viele Bücher herausragender Gelehrter und wurden, einmal abgesehen von Ausflüchten wie der von der »Metapher« und dem »Christus des Glaubens«, noch von keiner christlichen Autorität hinreichend erklärt. Das liegt daran, dass die Kirche bis vor Kurzem jeden unbequemen Frager einfach verbrennen oder anderweitig zum Schweigen bringen konnte. Allerdings erweisen sich die Evangelien wie ihre Vorgängerbücher als recht nützlich, wenn man den Beweis erbringen will, dass die Religion von Menschen gemacht wurde. »Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben«, heißt es bei Johannes, »die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.« Matthäus hat Gleiches im Sinn, wenn er sich auf ein oder zwei Verse des Propheten Jesaja stützt. Dort erfuhr König Ahas fast acht Jahrhunderte vor dem noch immer unklaren Geburtsdatum Jesu: »Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären...« Ahas schloss daraus, dass ihm ein Sieg über seine Feinde gewährt werde, was nicht einmal zutrifft, wenn wir seine Geschichte als historisch betrachten. Ein völlig neues Bild ergibt sich, wenn wir berücksichtigen, dass das Wort almah, das als »Jungfrau« übersetzt wurde, nur »junge Frau« bedeutet. Ohnehin ist bei menschlichen Säugetieren eine jungfräuliche Empfängnis nicht möglich, und selbst wenn wir dieses Gesetz für diesen einen Fall außer Kraft setzten, so würde das noch nicht beweisen, dass das so geborene Kind über göttliche Macht verfügt. Einmal mehr erregt die Religion unseren Argwohn, indem sie zu viel zu beweisen versucht. Umgekehrt ist die Bergpredigt ein Rückgriff auf Mose auf dem Berge Sinai, und die unscheinbaren Jünger stehen für die Juden, die Mose überallhin folgten. So geht die Prophezeiung in Erfüllung, sofern einem nicht weiter auffällt oder egal ist, dass die Geschichte »zurückentwickelt« wird. In einer kurzen Passage nur eines Evangeliums (die der Judenhetzer Mel Gibson aufgreift) beziehen sich die Rabbis zurück auf
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