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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Onkel?«
    »Ich werde den Aufschneider Fromm begraben und Helga einen neuen Ehemann suchen. Für ihr Alter sieht sie noch passabel aus. Sie braucht wieder einen Ehemann.«
    »Ein Mann will Kinder. Sie ist zu alt, um noch Kinder zu bekommen«, warf Otta ein.
    »Ich bin überzeugt, daß sie wegen der Zaubertränke, mit denen sie sich in Rauschzustände versetzt, bisher kein Kind zur Welt gebracht hat . . . Und dann die arme Ferlain mit ihren acht Totgeburten . . .! Mein Samen ist kalt und tot wie Ferlains Kinder. Zum Glück gibt es Wilhelm und den Sohn, den seine Gemahlin hoffentlich bald zur Welt bringt. Und Merrik und Laren. Der Mann, der Helga heiratet, wird durch die Verbindung reich. Wer weiß, vielleicht verbietet er ihr die Tränklein und sein Same keimt in ihrem Leib.«
    »Man hört, sie sei etwas wirr im Kopf«, gab Otta zu bedenken und kratzte einen Fleck am Ärmel weg. Er hatte sich mit Haferbrei bekleckert und haßte es, ungepflegt auszusehen. Da er ständig unter Bauchkrämpfen litt und sich qualvoll und übelriechend entleeren mußte, achtete er peinlich genau auf sein äußeres Erscheinungsbild.
    Rollo brummte mürrisch: »Ja, man hört so allerlei. Laßt mich jetzt mit Laren allein. Sie soll mir die Geschichte von gestern zuende erzählen. Analea geriet also in die Hände des Königs von Bulgarien.«
    Laren lächelte ihrem Gemahl zu und sagte: »Ja, Onkel. Ich erzähle die Geschichte weiter.«
    Ihr war wieder schlecht; sie war blaß und schweißbedeckt und fühlte sich elend. Mühsam kam sie auf die Füße und beugte sich würgend über die Schüssel. Auf dem Bettrand sitzend, versuchte sie sich zu entspannen, atmete tief ein und aus, bis die Übelkeit schließlich nachließ.
    Risa, ihre betagte, abgezehrte Kinderfrau schlurfte gebückt herein, schnalzte mißmutig mit der Zunge, leerte die Schüssel in einen Kübel und ging wortlos wieder.
    Laren schlief ein. Als sie erwachte, lag das Schlafgemach im Halbdunkel. Eine seltsam drückende Stille umgab sie. Angst kroch in ihr hoch, als sie sich an die Nacht der Entführung vor zwei Jahren erinnerte.
    Sie setzte sich hoch, rief verhalten: »Ist da jemand? Merrik?«
    Sie hörte Geräusche, ein leises Huschen. Dann war es wieder still, die Stille wuchs, und mit ihr vertieften sich die Schatten der hereinbrechenden Nacht. Sie schluckte, ihre Kehle war schmerzhaft trocken. Wieder hörte sie dieses leise Geräusch aus dem entfernten Winkel des Zimmers, es hörte sich an wie der Flügelschlag eines verwundeten Vogels.
    Sie wagte keine Bewegung.
    Es kam wieder, näher diesmal. Sie wollte aufschreien, doch ihre Kehle war zu trocken. »Merrik?« hauchte sie tonlos. »Wer ist da?«
    Sie schwang die Beine über die Bettkante. Erneut verkrampfte sich ihr Magen. Übelkeit würgte sie. Wo war Risa? Warum war sie allein?
    Doch sie war nicht allein. Da war das Geräusch wieder, leise und dennoch deutlich hörbar.
    »Wer ist da?«
    Das Geräusch war jetzt ein nahes Rascheln. Sie blickte zur Tür, die unendlich weit entfernt schien, der einzige Fluchtweg vor der Gefahr, die drohend näherrückte. Als sie eine Berührung an der Schulter spürte, schrie sie gellend auf und fuhr herum. Ferlain stand über ihr. Das bleiche Gesicht war hell wie ein kalter Wintermond in der Dunkelheit.
    »Was ist los mit dir, Laren? Warum zitterst du? Du hast mich erschreckt.«
    Ihre Stimme klang gereizt. Laren seufzte erleichtert auf.
    Es war nur Ferlain, die dicke Ferlain, die ewig jammerte und nörgelte, aber harmlos war. Von ihr hatte sie gewiß nichts zu befürchten.
    »Ich bin auch erschrocken. Warum ist das Zimmer so dunkel?«
    »Es war schon dunkel, als ich kam. Ich wollte nur nach dir sehen. Wie fühlst du dich?«
    »Mach bitte Licht.«
    »Wie du meinst.« Ferlain hielt einen gedrehten, in Öl getränkten Lappen in die Glut des Kohlebeckens neben dem Bett. Bald fing der Docht Feuer.
    »Ich habe die Dunkelheit gern«, sagte Ferlain und blickte in die Flamme. »In deinem Alter mochte ich die Nacht auch nicht, aber das ändert sich. Alles ändert sich, auch Kummer und Sorgen. Aber genug davon. Bist du krank?«
    Die schwerfällige und unbeholfene Ferlain. Von ihr ging nichts Unheilvolles aus. »Nein, es ist nichts«, antwortete Laren. »Ich mußte nur beim Aufwachen an die furchtbare Nacht unserer Entführung denken.«
    »Ja. Das stelle ich mir beängstigend vor. Helga hat recht. Es war ein Akt der Barmherzigkeit, daß man dich nicht getötet hat. Der arme Taby mußte sterben. Aber du bist in

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