Der Herr vom Rabengipfel
Dolch und warf ihn aufreizend von der rechten Hand in die linke und dann wieder zurück. Er stand leicht gebeugt, mit gespreizten Beinen und lächelte breit.
Sie lauerten stumm wie ausgehungerte Wölfe im Winter.
Er lachte laut und rief höhnisch: »Ihr seid langsam. Ziemlich langweilig für mich, diese Warterei, bis Ihr endlich Mut gefaßt habt. Könnt Ihr überhaupt kämpfen? Ihr seht mir aus wie Sklaven, die man nur heute nacht freigelassen hat, um mich auszuschalten. Du da, du hüpfst wie eine Jungfer in der Hochzeitsnacht herum, was hast du vor? Singst du mir ein Lied? Spielst du die Laute, und dein Freund erzählt mir eine Geschichte? Du elender Feigling! Hör auf zu tanzen!«
Der Mann warf sich mit einem Wutschrei auf Merrik. Der zweite folgte kurz darauf. Merrik schlug dem Riesen die flache Handkante an den Hals und blickte ihm direkt ins Gesicht, als er ihm den Dolch in die Brust stieß. Der Mann ging lautlos zu Boden. Nun hatte Merrik alle Hände mit dem zweiten Angreifer zu tun, der sich klugerweise nicht blindlings auf ihn stürzte.
»Ich schlitz dir den Bauch auf, daß deine Eingeweide herausquellen«, drohte der Kerl, ohne Merrik aus den Augen zu lassen, der nun wieder den Dolch von einer Hand in die andere warf.
Mit zwei schnellen Schritten war Merrik bei ihm und stach zu. Der Gegner wich zurück, und Merriks Klinge zerschnitt nur das Bärenfell.
»Du schlitzt mir den Bauch nicht auf, du Dreckskerl. Ich reiße dir die Därme heraus und trample darauf herum, weil du mein Bärenfell zerschnitten hast.«
Dieser Gedanke behagte Merrik nicht sonderlich. Er sprang hinter die Leiche des ersten Angreifers, trat dem Toten in die Rippen und spuckte auf ihn.
Jetzt verlor der andere völlig die Fassung. Rasend vor Wut stürzte er sich auf Merrik. Merriks Dolch zuckte schräg nach oben, der Angreifer wich zurück und schlitzte in der Drehung Merriks Arm auf.
Merrik fühlte die scharfe Kälte der Schnittwunde, der eine barmherzige Taubheit folgte. Der Mann war vorsichtiger als sein Kumpan. Bald darauf spürte Merrik die Wärme seines sprudelnden Blutes, und damit hatte er gewonnen, das wußte er. Er stieß einen unterdrückten Schmerzenslaut aus, taumelte mit gesenktem Kopf und hielt sich den verwundeten Arm.
Der Wüterich stürzte sich mit gezücktem Messer auf ihn. Als Merrik den ranzigen Gestank des Mannes in der Nase hatte, rammte er ihm seinen blutenden Arm ins Gesicht, und das spritzende Blut blendete den Kerl für kurze Zeit.
Der Getroffene schwankte, versuchte sich umzudrehen, zu fliehen, doch Merrik schlang ihm nun den unversehrten Arm um den Hals und drückte zu, bis der andere nach Luft rang.
»Wer ist dein Herr?«
»Ich habe keinen Herrn. Töte mich. Ich habe versagt.«
»Ja, das hast du. Sag mir den Namen deines Herrn, und ich schenke dir das Leben.«
Merriks Messerspitze drückte in die Kehle des Keuchenden und stach leicht zu. »Sprich!«
»Es ist Rollo, der große Rollo. Er wünscht dir den Tod.«
Merrik erschrak so sehr, daß sich sein Griff lockerte. Der Mann riß sich los und rannte blindlings in die Nacht.
Merrik verfolgte ihn nicht. Er stand keuchend da, den verwundeten Arm an seinen Leib gedrückt. Es war sinnlos, den Mann zu verfolgen. Er wäre in der Finsternis nur gestolpert und gestürzt. Und sein Arm brannte mittlerweile wie Höllenfeuer. Mit zusammengebissenen Zähnen riß er einen Streifen von seinem Kittel ab und wickelte ihn um die Wunde, aus der das Blut sprudelte.
Oleg durchmaß ungeduldig die Schlafkammer. Bei Merriks Eintreten sagte er rasch: »Keine Sorge. Laren ist bei Rollo und ihren Schwestern und erzählt ihnen eine Geschichte. Helga und Ferlain wollten sie nicht hören, doch Herzog Rollo zwang die Damen, zuzuhören.«
»Gut, daß sie nicht hier ist«, brachte Merrik zwischen den Zähnen hervor.
Erst jetzt bemerkte Oleg den verwundeten Arm. »Merrik, du blutest wie ein Ochse. Ich hätte mit dir kommen sollen! Hätte ich nur nicht auf dich gehört.«
Merrik grinste dünn und entfernte den Stoff streifen. Die Wunde blutete nicht mehr stark, klaffte aber breit und mußte genäht werden.
»Hol den Alten Firren. Er soll Nadel und Faden bringen.«
Kurz darauf betrat der Alte Firren die Schlafkammer, warf einen Blick auf die prächtigen Wandbehänge, grunzte und spuckte in eine Ecke. Angeekelt brummte er: »Nicht mal richtig spucken kann man hier. Mir gefällt das alles nicht. Ich komme mir vor, als würde ich auf glühenden Kohlen gehen. Was hast du
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