Der Herr vom Rabengipfel
habe andere Dinge mit ihr vor.«
Laren würde also keine Silbermünzen verdienen. Vermutlich wollte Erik sie damit strafen, was ihr nicht allzuviel ausmachte. Sarla zupfte sie am Ärmel. »Einen so guten Schmorbraten habe ich noch nie gegessen. Laren, du mußt mir zeigen, wie du ihn gemacht hast, bitte.«
Sarlas Bitte klang eindringlich, fast flehend. Und Laren drehte sich besorgt zu ihr um. »Es ist ganz einfach. Du kochst auch gut. Ich koche nur ein bißchen anders.«
»Nein, du mußt es mir zeigen.«
Laren sah sie näher an. Unter ihrem rechten Auge hatte Sarla einen Bluterguß. Wut krampfte Larens Magen zusammen. »Er hat dich geschlagen!«
»Psst! Sei bitte still, Laren. Es ist nicht der Rede wert. Es tut nicht weh, und man sieht es kaum. Sei still.«
»Warum hat er dich geschlagen?«
Sarla schwieg und hob nur die Schultern.
»Warum?«
»Erik braucht keinen Grund. Ich habe ihm mißfallen, und da hat er eben zugeschlagen.«
»Schlägt er dich öfter?«
Sarla machte ein trauriges Gesicht. »In letzter Zeit scheine ich sein Mißfallen immer öfter zu erregen.«
Es kam häufig vor, daß Männer Frauen schlugen. Aber Sarla war so sanft und herzensgut. Wie konnte sie sein Mißfallen erregen? Und plötzlich wußte Laren, warum Erik seine Frau geschlagen hatte. Er hatte seinen Willen nicht durchgesetzt. Er hatte Laren begehrt, doch Merrik hatte sie ihm nicht gegönnt.
»Du siehst wütend aus, Laren. Bitte, sag nichts. Vergiß es. Ich habe gesehen, wie er vorhin mit Caylis und Megot sprach — die Hübsche dort drüben neben dem Webstuhl. Wahrscheinlich läßt er mich heute in Ruhe.«
Laren schwieg, doch das fiel ihr sehr schwer.
»Du bist verärgert.«
Laren knetete Teig, da die Männer das Brot bis auf den letzten Krumen vertilgt hatten, das sie am Vortag gebacken hatte. Ihre Arme steckten bis zu den Ellbogen im Trog und bearbeiteten den Teig. Sie hob den Kopf und zwang sich, Cleve anzulächeln. »Nicht wirklich verärgert. Aber Sarla ist so lieb und sanft. Und ihr Mann ist ein solcher Rüpel.«
»Er kehrt gern den Herrn heraus und duldet keinen Widerspruch. Seit dem Tod seines Vaters soll er härter geworden sein. Er kommt sich so großartig und mächtig vor, daß er meint, jeden bestrafen oder töten zu können, wie es ihm beliebt.«
»Wenigstens blieb Sarla gestern von ihm verschont.«
»Ja, sie schlief im großen Raum. In meiner Nähe.«
Laren knetete den Teig noch wütender. Das Mehl war grob gemahlen, sie spürte die Körner zwischen den Fingern. Das wollte sie ändern. Ihre Herrin in Staraya Ladoga, die übellaunige alte Frau hatte ihr beigebracht zu kochen, feines Mehl zu mahlen und Bier und Met zu brauen. Laren war lerneifrig, denn die Frau züchtigte sie für jede Ungeschicklichkeit. »Wir beide haben so viel durchgemacht, Cleve. Doch Sarlas blaues Auge erzürnt mich beinahe so wie deine Narbe. Wenn ich könnte, würde ich die Männer töten, die euch solche Schmerzen zugefügt haben.« Sie schwieg. »Ich habe Angst vor Erik«, fügte sie leise hinzu.
»Ich weiß. Schade, daß dein Körper nicht so stark ist wie dein Geist. Würdest du den Menschen wirklich töten, der mir die Narbe zugefügt hat, Laren?«
»Ja, ich würde ihn gerne leiden sehen.«
»Es war eine Frau.«
Sie blickte ihn fassungslos an. »Ja«, sagte sie dann nachdenklich, »ich habe Grausamkeit bei Männern und Frauen erlebt. Warum hat sie es getan?«
»Ich weigerte mich, ihr Lager zu teilen.«
»War dir das so wichtig?«
»Ja«, antwortete er knapp. »Es war mir sehr wichtig.«
Er wollte nicht darüber sprechen, das spürte sie. »Gehst du heute wieder mit Merrik zur Jagd?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich arbeite auf dem Feld. Es ist Erntezeit, und da wird jede Hilfe gebraucht. Selbst Merrik wird bald bei der Ernte helfen.«
»Und Erik?«
Cleve zuckte mit den Schultern und löffelte Haferbrei aus dem schweren Eisentopf in eine Holzschale.
»Vor einer Weile ging er mit einer Frau in die Badehütte. Ich glaube, sie heißt Megot. Sie hat kurze Beine und ist für meinen Geschmack zu dick, aber sie hat schöne Haare.«
»Ja, sie hat schöne Haare. Cleve, ich besitze achtzehn Silberstücke.«
Er ließ Honig über den Haferbrei laufen. »Das ist viel, Laren. Auch ich würde dir Silber geben, wenn ich welches hätte.«
»Du verstehst nicht, Cleve. Wenn ich genug zusammen habe, kaufe ich uns alle frei, und wir kehren heim.«
»Heim?«
»Ja, in meine Heimat.«
Er sah sie kopfschüttelnd an. »Und wie kommen
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