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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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sich den vollen Bauch und schaute in Deglins Richtung.
    »Nun Deglin, wie steht's? Wirst du uns eine Geschichte erzählen?«
    Mit lauter Stimme rief Erik, damit jeder ihn hören konnte: »Nein. Deglin hat ausgedient. Das Mädchen ist unser neuer Skalde.«
    Die Familie Thoragasson samt Gefolge lachte ungehörig laut. »Wer?« rief einer. »Die magere Bohnenstange, die umfällt, wenn ein scharfer Wind sie anbläst?«
    Es gab ein gutmütiges Wortgeplänkel, bis einer von Eriks Leuten einen von Thoragassons Männern beleidigte, woraus eine Rauferei entstand, die mit einem gebrochenen Arm und einer heftig blutenden Nase endete.
    Larens Blick wanderte durch den großen Raum, in dem nach kurzer Zeit ein furchtbares Durcheinander herrschte. Waren alle Männer nur zufrieden, wenn sie fressen, saufen, Frauen besteigen konnten oder fluchend aufeinander eindroschen? Erik erhob sich vom Fußboden, wo er rittlings auf einem Mann gesessen hatte, griff sich Megot und begrapschte schamlos ihre Brüste. Er küßte sie mitten auf den Mund, schlug ihr kräftig auf den Hintern und befahl ihr, ihm Bier zu bringen.
    Sarla kümmerte sich um die Verletzten. Eine andere Frau versorgte den Mann mit der blutenden Nase. Megot brachte Erik einen Krug Bier. Mit breitem Grinsen tätschelte er ihren Hintern. Laren wartete ab, wissend, daß Erik sie bald zum Erzählen auffordern würde. Ihr Blick ging zu Merrik, der mehrere Männer zu Boden geschickt und sich dabei einen Fingerknöchel verstaucht hatte. Er hob Taby hoch und warf ihn in die Luft. Der Kleine quietschte vor Vergnügen. Merrik küßte ihn und setzte ihn auf die Schultern. Thoragasson blinzelte unsicher und fragte sich, ob Taby Merriks Kind war. Nicht zu Unrecht, dachte Laren, denn das Band zwischen den beiden festigte sich mit jedem Tag. Sie mußte ihren kleinen Bruder bald von hier fortbringen, sonst würde die Trennung von Merrik dem Kleinen das Herz brechen. Unsinn, schalt sie sich, Kinder vergessen rasch und passen sich schnell neuen Gegebenheiten an!
    Als Larens Blick zu den Thoragassons wanderte, sah sie die Leute plötzlich mit anderen Augen. Sie sah in den Gästen Spender neuer Silberstücke.
    Endlich sorgte Erik für Ruhe und forderte sie auf anzufangen. Sie erhob sich, schenkte ihren Zuhörern ein gewinnendes Lächeln und begann die Geschichte von vorn. Um jene nicht zu langweilen, die den Anfang bereits kannten, schmückte sie die Erzählung aus und gab ihr kleine, neue Wendungen. Nach einer Pause sprach sie mit geheimnisvoll gedämpfter Stimme weiter: »Selina lag auf den Knien und blickte ihrem Ehemann verzweifelt nach. Sobald Grunlige hinter einer Hügelkuppe verschwunden war, erhob Parma sich und führte vor Stolz über seine List einen Freudentanz auf. Er trat an Selina heran, ohne sie zu berühren. >Dich nehme ich erst, wenn Grunlige tot ist und ich auf seine Leiche gespuckt habe. Dann schneide ich dir deinen Hexenkopf ab, und das Böse wird mit dir sterben.< Lachend entfernte er sich. Selina blieb auf der Erde liegen und weinte sich die Augen aus.
    Grunlige aber war voller Tatendrang. Odin hatte ihm erneut seine Wertschätzung bewiesen und würde ihn belohnen, ihn mit noch größerer Macht ausstatten und seine Feinde vernichten. Auf seinem Gehöft angekommen, rief er seine Männer zusammen, die über ihren Herrn staunten, der gesund und mit neuen Kräften zurückgekehrt war. Doch als er ihnen eröffnete, daß sie nach Island fahren würden, um Pelztiere zu jagen und auf dem Markt in Hedeby zu verkaufen, blickten sie einander verstohlen an. Es war Winter. Die Reise war ebenso gefährlich wie in jenem berüchtigten Winter.
    Doch Grunlige war ihr Anführer, dem sie Treue geschworen hatten. War er nicht gesund und stark zu ihnen zurückgekehrt? Er stand unter Odins Schutz, das wußten alle, und alle vertrauten ihm. Sie verließen Norwegen und segelten in die Nordsee, an den Shetlandinseln und den Färöerinseln vorbei und hielten auf die Siedlung Thingvellir auf Island zu.«
    Merrik war verblüfft. Woher kannte sie die Namen dieser Orte?
    »Alles ging gut. Die Fahrt dauerte nur zwei Wochen, die Winde trugen sie schneller als sie sich ausgerechnet hatten, nach Westen, und es war, als bringe eine unsichtbare Macht sie ihrem Ziel entgegen. Die Furcht der Männer war gewichen, denn die Götter hatten ihr Unternehmen mit ihrem Segen begleitet. In Thingvellir angekommen, erlegten sie mehr Pelztiere als je zuvor. Die Männer waren zufrieden und hätten ihr Leben freudig für

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