Der Herr vom Rabengipfel
hatte sie kein Wort gesagt. Er half ihr, sich an den Bettrand zu setzen und löste die Knoten des Umhangs an ihren Schultern und streifte ihn über ihren Kopf. Dann löste er die Bänder ihres Gewandes und ließ es bis zu den Hüften fallen. Darunter trug sie das Leinenhemd, das er ihr auf dem Markt in Kaupang gekauft hatte, und das ihre prallen Brüste umspannte. Er befahl ihr barsch, sich auf den Bauch zu legen.
Sobald sie mit dem Gesicht nach unten lag, schob er Kleid und Hemd nach unten bis zu den Hüften und brachte die Öllampe näher. Thrascos Peitschenhiebe waren noch deutlich zu sehen, und lange Striemen zogen sich kreuz und quer über ihren Rücken. Doch die entzündete Röte war verblaßt, die Striemen waren nicht mehr geschwollen, und die blutigen Stellen waren abgeheilt. Ein wenig Salbe konnte nicht schaden. Er begann, ihr den Rücken einzureiben. Sie lag steif wie ein Brett da. Bald spürte er, wie sie sich entspannte. Und noch etwas später begann sie wohlig zu stöhnen. Er massierte ihre Schultern, und wieder stöhnte sie.
Er schob ihr Kleid weiter nach unten, obgleich Thrascos Peitsche sie dort nicht getroffen hatte.
Er wollte sehen, ob sie schon etwas Heisch angesetzt hatte.
Ihre Rippen zeichneten sich immer noch deutlich ab, doch ihre Hüften rundeten sich bereits verführerisch. Er fürchtete, seinen Samen zu ergießen.
Hastig bedeckte er sie, stand auf und stellte die Salbe beiseite.
Er mußte neben ihr schlafen. Er durfte nicht zulassen, daß Erik Tabys Schwester Gewalt antat. So einfach war das. Und er würde nicht zulassen, daß er, Merrik, Tabys Schwester verführte.
Ganz ruhig sagte er: »Ich ziehe dir das Kleid aus und lege dir ein sauberes Tuch auf den Rücken. Ist das in Ordnung, Laren?«
Sie nickte schweigend. Das Haar war ihr über die Augen gefallen, deshalb konnte sie sein Gesicht nicht sehen und er nicht das ihre. Sie fühlte sich bloßgestellt und begriff nicht, warum sie ihn nicht zurechtgewiesen hatte, als er ihr das Kleid viel zu weit über die Hüften nach unten geschoben hatte. Aber sie hatte keinen Laut von sich gegeben. Und nun kam sie sich wie eine dumme Gans vor. Er hatte vergessen, wie häßlich ihr Rücken und ihr verbranntes Bein waren. Sie war reizlos wie ein abgenagtes Hühnerbein. Er hatte sie nur für einen kurzen Moment begehrt, weil er vergessen hatte, wie sie wirklich aussah.
Ihre Augen brannten, doch diesmal nicht von jahrelang aufgestauten Tränen.
Sie spürte das kühle Tuch, das er über sie breitete. Dann deckte er sie rasch zu.
Als er sich neben sie legte, flüsterte er: »Ich tue es nicht wieder.«
Und sie wußte, was er meinte. Ihre Stimme war ohne Gefühl, als sie sagte: »Weil ich mager und häßlich bin.«
»Nein«, entgegnete er. »Wegen Taby.« Und wieder wußte sie, was er meinte.
Er hatte nicht die Wahrheit gesagt. Nein, nicht nur wegen Taby. Er hatte nicht die Absicht, ihr wehzutun, was zwangsläufig geschehen würde, wenn er sie nahm. Doch
Erik mußte weiterhin im Glauben bleiben, daß sie seine Geliebte war.
Der folgende Tag verging wie im Flug. Immer wieder brachte Merrik ihr zu essen und blieb bei ihr, bis die Schale leer war.
Taby hatte sich bereits mit den anderen Kindern angefreundet. Der achtjährige Kenna war sein besonderer Held, dem er auf Schritt und Tritt folgte. Der hübsche Knabe, dem der Hochmut seines Vaters fehlte, behandelte Taby mit geduldiger Nachsicht. Er war der Anführer der anderen Kinder.
Cleve nahm eine seltsame Stellung ein. Er war zwar Sklave, nächtigte aber nicht in der Sklavenhütte und wurde auch nicht zu niederen Arbeiten herangezogen. An diesem Nachmittag begleitete er Merrik und seine Gefährten auf die Jagd.
Laren zählte ihre Silbermünzen. Achtzehn waren es bereits. Bald würde sie Merrik fragen. Am Abend zuvor hatte sie es versäumt, mit ihm darüber zu reden. Zuviel war zwischen ihnen geschehen. Doch sie wußte, daß sie mit Taby und Cleve bald gehen mußte. In Momenten wie denen von gestern nacht wollte sie Merrik ebensowenig verlassen wie Taby dies wollte, aber es war ihre Aufgabe, sie beide von hier fortzubringen. Sie gehörten nicht hierher.
An diesem Abend bereitete sie geschmortes Wildschwein mit verschiedenen Gemüsen zu, was ihr zufriedene Mienen bei Merriks Leuten und ein erstauntes Raunen der übrigen Bewohner von Malverne einbrachte. Nach dem Essen blickte Erik mit lüsternen Blicken zu ihr herüber: »Das Mädchen wird heute abend die dumme Geschichte nicht weiterzählen. Ich
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