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Der Herzausreißer

Der Herzausreißer

Titel: Der Herzausreißer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Vian
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sagte Joël und fing an, »tschu tschu« zu machen.
    »Ich ...«, begann Noël.
    Dann schwieg er.
    »Oh meine süßen Lieblinge«, sagte Clémentine.
    Sie küsste sie rundum ab.
    »Schrei«, sagte Citroën. »Wir halten.«
    Joël fuhr langsamer.
    »Ich muß schon sagen«, sagte Clémentine, vom vielen Schreien ganz heiser, »der fährt verteufelt gut, euer Zug. Kommt jetzt euren Brei essen.«
    »Nein«, sagte Citroën.
    »Nein«, sagte Joël.
    »Mir zuliebe«, sagte Clémentine.
    »Nein«, sagte Citroën.
    »Nein«, sagte Joël.
    »Dann weine ich aber«, sagte Clémentine.
    »Das kannst du gar nicht«, bemerkte Noël geringschätzig, durch die wahrhaft anmaßende Bemerkung seiner Mutter aus seiner gewohnten Wortkargheit herausgerissen.
    »Ach so! Ich kann nicht weinen?« sagte Clémentine. Sie brach in Tränen aus, aber Citroën brachte sie sogleich zum Stillstand.
    »Nein«, sagt er, »du kannst es nicht. Du machst nur hu, hu, hu. Wir hingegen machen aaah.«
    »Also dann: ah, ah, aha!« sagte Clémentine.
    »Das ist es nicht«, sagte Joël. »Pass auf.«
    Dann brachte Noël, angesteckt von der Stimmung im Raum, eine Träne zuwege. Spielerisch befeuert fuhr Joël damit fort. Citroën weinte nie. Aber er war sehr traurig. Vielleicht sogar verzweifelt.
    Clémentine wurde unruhig:
    »Aber ihr weint ja echt! Citroën! Noël! Joël! Hört auf mit dem Theater, meine Schätzchen! Meine Kleinchen! Meine Lieblinge! Nun weint doch nicht! Was ist denn bloß los mit euch?«
    »Du Abscheuliche!«, schrie Joël jämmerlich.
    »Du Böse!«, kreischte Citroën wütend.
    »Scheuß!«, brüllte Noël am lautesten.
    »Aber meine Lieblinge! Nicht doch! Es war nicht so gemeint! Es war ja nur ein Spaß! Also, ihr bringt mich noch ganz durcheinander!«
    »Ich will aber keinen Brei!«, sagte Citroën und fing erneut an zu kreischen.
    »Will aber keinen Brei!«, sagte Joël.
    »Will kein!«, sagte Noël.
    Wenn sie aufgeregt waren, fielen Joël und Noël wieder in die Babysprache zurück.
    Gänzlich aus der Fassung geraten, liebkoste und küsste Clémentine die drei.
    »Meine armen Kerlchen«, sagte sie. »Nun gut, dann essen wir ihn eben später. Jetzt nicht.«
    Alles hörte auf, wie von einem Zauber gebannt.
    »Komm Boot spielen«, sagte Citroën zu Joël.
    »Boot«, schloss Noël.
    Sie liefen Clémentine davon.
    »Lass uns in Ruhe«, sagte Citroën. »Wir spielen.«
    »Ich lass euch ja schon«, sagte Clémentine. »Wollt ihr, dass ich hierbleibe und stricke?«
    »Nebenan«, sagte Citroën.
    »Geh nach nebenan«, sagte Joël. »Hü, Boot!«
    Clémentine seufzte und ging widerwillig hinaus. Sie hätte sie gerne noch ganz klein und brav gehabt. Wie am ersten Tag beim Stillen. Sie senkte den Kopf und hing der Erinnerung nach.

3
    73. Februni
    Jacquemort, versackt in Düsternis,
    Lenkt hin zum Dorfe seine Schritte,
    Kam näher schon der Lebensmitte,
    Doch stumpf war des Gewissens Biss.
    Sein Ich war leer, soviel ist klar,
    Auch Fortschritt kaum bemerkbar war,
    Das Wetter grau; es nieselt leise,
    Und Schlamm bedeckt wie Eierspeise,
    Des Wandrers Stiefel stellenweise ...
    Ein Vogel schrie. — »Ah! Verdammt noch mal«, sagte Jacquemort. »Jetzt hast du mich rausgebracht. Und dabei hatte es so gut angefangen. Von jetzt an werde ich von mir selbst nur mehr in der dritten Person reden. Das inspiriert mich.« — Er ging, er ging immerzu. Die Hecken beiderseits des Weges hatten sich während des Winters mit Eider-Eiderenten (das sind die Kinder der Eiderenten, genauso wie Gentlemen’s Gentlemen die Kinder der Gentlemen sind) bevölkert, und all diese kleinen Eiderenten, die sich haufenweise in den Weißdornbüschen aufhielten, ließen es künstlich schneien, wenn sie sich mit heftigen Schnabelbewegungen die Bäuche kratzten. Die frischen grünen Gräben am Wegrand, bis obenhin voll Wasser und von Fröschen nur so wimmelnd, machten sich in Erwartung der Julembertrockenheit noch einen guten Tag.
    »Man hat mich drangekriegt«, fuhr Jacquemort fort. »Dieses Land hat mich drangekriegt. Als ich ankam, war ich ein junger Psychiater voll Schwung, und jetzt bin ich ein junger Psychiater ganz ohne jeden Schwung. Das ist gewiss ein großer Unterschied. Und das verdanke ich alles diesem verrotteten Dorf. Diesem verdammten, widerwärtigen Dorf. Meinem ersten Besuch beim Alteleutemarkt. Jetzt finde ich den Alteleutemarkt sichtlich selber schon lustig, jetzt haue ich den Lehrlingen unbeabsichtigt eine runter, und La Gloïre habe ich auch schon schlecht

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