Der Herzog und seine geliebte Feindin
„sie unternehmen also wirklich Schritte, um irgendeine Art Stelle für dich in Cambridge einzurichten. Berücksichtigt man, was man über dich gesagt hat, als du noch Student dort warst, kann ich mir denken, dass das das Letzte ist, womit du gerechnet hast. Bist du noch in Schock?“
Sebastian warf ihm einen langen Blick zu. „Ich bin nicht länger Student, weißt du.“
„Jetzt tu nicht so, als seist du erwachsen geworden.“
Das trug ihm ein jungenhaftes Lächeln ein. „Warte, bis ich ablehne“, erwiderte sein Cousin. „Das wird alle schockieren.“
Robert blinzelte und sah ihn genauer an. Sebastian war bekannt für seine Streiche, aber die Arbeit, die er jetzt machte, nahm er sehr ernst. „Du wirst ablehnen?“
„Ich fürchte, das muss ich.“ Sebastian steckte sich seine Hände in die Taschen. „Sogar Newton musste einen Dispens von Charles II bekommen, weil er nicht an die Dreifaltigkeit glaubte. Oxford ist liberaler geworden, aber Cambridge …“ Er zuckte die Achseln. „Da herrscht noch finsterstes Mittelalter. Sie verlangen, dass man der Doktrin der Kirche von England folgt. Die Hälfte der Naturwissenschaftler will mich dort haben, weil sie der Ansicht sind, meine Arbeiten seien interessant. Die andere Hälfte glaubt, wenn sie mich zu einem der Ihren machen, würde mich das dazu bringen, den Mund zu halten.“
„Und? Würde es dazu führen?“ Robert sah ihn an. „Ich habe noch nicht erlebt, dass du den Mund hältst, nicht über irgendwas. Und bist du denn ein Ungläubiger? Ich habe alle deine Abhandlungen gelesen, selbst die, die meinen Horizont übersteigen, aber ich kann mich nicht entsinnen, dass du dazu Stellung beziehst.“
Sebastian zuckte die Achseln. „Hast du es nicht gehört? Ich bin ein gottloser Wissenschaftler, ein Anhänger des abtrünnigen Mr. Darwin.“
„Selbst Darwin ist nicht Atheist.“
Sebastian beantwortete die Frage nicht. Stattdessen zuckte er resigniert die Achseln. „Ich bin nicht nur der Meinung, dass sich die Arten entwickelt haben, ich kann auch nach verlässlichen wissenschaftlichen Standards beweisen, dass Eigenschaften der Eltern auf die Nachkommen übertragen werden. Nicht durch die Gnade irgendeines göttlichen Wesens, sondern lediglich durch das Wirken einfacher Naturprinzipien.“ Er sah Robert an. „Das macht mich in den Augen der Hälfte der Gesellschaft zu einem Ungläubigen. Wer bin ich, ihnen zu widersprechen?“
„Ich begreife das als rhetorische Frage, da du ihnen bei jeder Gelegenheit widersprichst.“
Sebastian lächelte vergnügt und schüttelte den Kopf.
„Ich glaube fast, du bist gerne Ausgestoßener.“
„Das muss es sein.“ Sebastian zuckte die Achseln.
„Und es ist dir gelungen, mich abzulenken. Du hast aber meine Frage nicht beantwortet. Glaubst du an Gott?“
„Ich habe dir soweit geantwortet, wie ich jedem darauf antworte. Ich denke, es ist eine Schande, dass Mr. Darwin seinen Glauben in Bezug auf seine Arbeit rechtfertigen muss. Der Glaube eines jeden sollte eine Sache zwischen ihm und der Gottheit sein, an die er glaubt oder eben nicht glaubt. Niemand fragt einen Fassbinder, ob er an Gott glaubt. Warum sollte ich darauf antworten müssen? Warum sollte das irgendwen interessieren?“
Es war so rasch gegangen mit Sebastians Ruhm. So sehr, dass es immer noch so etwas wie ein Schock war, wenn er daran dachte, dass Sebastian – der scharfsinnige, manchmal auch vulgäre Sebastian Malheur, sein Cousin und ehemaliger Mitverschwörer – ein berühmter Wissenschaftler geworden war. Nicht dass Sebastian nicht klug genug dazu wäre. Er hatte immer schon eine schnelle Auffassungsgabe besessen. Es war nur leichter für ihn, in seinem Cousin weiter den stets zu Streichen aufgelegten Lausbuben zu sehen, als einen Erwachsenen mit ernsthaften Interessen.
„Außerdem“, sagte Sebastian, „macht es viel mehr Spaß, alle zu reizen. Sich zu weigern, die Frage zu beantworten, bewirkt, dass mich all die alten Kaffeetanten naserümpfend von ihren Gästelisten streichen.“
Vermutlich war das der Grund, warum Sebastian nicht wirklich ein Erwachsener mit ernsthaften Interessen geworden war. Er hatte Robert gefehlt.
Der Schaffner blies in seine Pfeife, und die Leute begannen in den Zug zu steigen. Robert und Sebastian warteten am Ende des Bahnsteiges, bis sich das erste Gedränge gelegt hatte, dann gingen sie zurück. Auf dem Weg zu ihren Plätzen kamen sie an den Gepäckwägen vorbei, dann an den Wagen der zweiten Klasse.
Aber als
Weitere Kostenlose Bücher